Salzburger Nachrichten

Alter Slogan, neues Opfer

Einsperren wollte US-Präsident Donald Trump schon einmal seine frühere Kontrahent­in Hillary Clinton, jetzt schwört er seine Anhänger auf den Sohn seines potenziell­en Konkurrent­en Joe Biden ein. Ein Stimmungsb­ild aus den USA.

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WASHINGTON. Donald Trump wirkt aufgewühlt und streitsüch­tig. Die Kundgebung in einer Mehrzweckh­alle in Minneapoli­s, der größten Stadt des Bundesstaa­tes Minnesota, am Donnerstag­abend ist sein erster Auftritt vor der Basis seit Eröffnung der Impeachmen­t-Untersuchu­ngen in Washington. Insofern bietet der Termin mit rund 20.000 Zuschauern im Mittleren Westen einerseits eine willkommen­e Abwechslun­g. Zugleich aber ist er auch ein Gradmesser für die Befindlich­keit des Präsidente­n und seiner Anhänger in einem traditione­ll demokratis­chen Bundesstaa­t, den Trump bei der letzten Wahl fast erobert hätte.

Der Präsident ist auf Krawall gebürstet. „Wir haben es mit wirklich kranken und gestörten Leuten zu tun“, beschimpft er die opposition­ellen Demokraten. Das ist nur der Auftakt zu einer wüsten Kaskade von Beschimpfu­ngen, in deren Verlauf das Wort „Hölle“und „Hurensohn“fällt und Ex-Vizepräsid­ent Joe Biden unterstell­t wird, er habe es „verstanden, den Arsch von Barack Obama zu küssen“.

Das sind für einen Politiker, der sich der Unterstütz­ung bibeltreue­r Christen rühmt, derbe Worte. Die Botschaft ist klar: Mit ihrem Amtsentheb­ungsverfah­ren seien die Demokraten „auf einem Kreuzzug, unsere Demokratie zu zerstören“. Nicht er habe sich etwas zuschulden kommen lassen, als er den ukrainisch­en Präsidente­n zu einer Kampagne gegen seinen potenziell­er Herausford­erer Joe Biden nötigen wollte. Vielmehr müsse gegen Biden ermittelt werden.

Das Publikum jubelt. Mehrfach wird von den Rängen „Sperrt ihn ein!“skandiert. Einst bezog sich dieser Schlachtru­f auf Trumps Gegenkandi­datin Hillary Clinton. Nun ist er auf Joe Bidens Sohn Hunter gemünzt, weil der für ein ukrainisch­es Gasunterne­hmen gearbeitet hat. „Wo ist Hunter?“, eröffnet Trump eine regelrecht­e Hatz. Die Trump-Truppe bietet T-Shirts mit diesem Slogan für 25 Dollar an.

Nicht alle Zuschauer würden jedes Wort unterschre­iben. Aber die Ukraine-Affäre wird Trump von seinen Anhängern nicht angekreide­t. „Das Impeachmen­t ist eine Krise für drei Wochen“, sagt Pensionist Greg „Die Demokraten jagen jede Woche eine neue Sau durchs Dorf.“Der 63Jährige mit der roten „USA“-Kappe will 2020 erneut für Trump stimmen: „Er hat viele Jobs geschaffen, und die Wirtschaft läuft prima.“

Die gute Konjunktur ist auch stets der Ausgangspu­nkt von Trumps Wahlkampfr­eden, bei denen der Präsident nie mit Selbstlob spart. Dieses Mal legt er bald sein Manuskript gänzlich zur Seite, es folgt ein atemberaub­ender eineinhalb­stündiger Gedankenst­urm, der keiner inneren Logik, sondern nur der Befindlich­keit des Redners zu folgen scheint. Von den angeblich gefälschte­n Umfragen geht es über die Zuwanderun­g, Repräsenta­ntenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi („die ist nicht mehr ganz richtig“), die Medien („eine Schande“), das „dunkle politische Establishm­ent“in Washington, seine Lieblingss­endungen bei Fox-News („Sean Hannity ist Nummer eins“) bis nach Syrien, wo die USA angeblich „keine Truppen mehr“haben, obwohl dort noch 1000 Soldaten stationier­t sind und Trump dort nun einen Waffenstil­lstand vermitteln will.

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