Salzburger Nachrichten

Ein Hendl vom Peter, Nobelpreis­träger

Über die wirklich wichtigen Dinge, wenn man einen Über-Preis bekommt.

- Bernhard Flieher WWW.SN.AT/FLIEHER

Peter Handke fragt: „Ham S’ an Hunger?“und er wartet die Antwort nicht ab, sondern reicht mir über den Tisch ein Hendlhaxer­l, fesch resch golden gebacken. Es ist ein heißer Sommertag im Wallfahrts­ort Maria Plain. Der Herr ist bei der Speisung umringt von ehrfürchti­gen Jüngern, die immer sehr schnell Wein nachschenk­en. Ich bin wegen eines Interviews da. Ich lese den Handke schon lange. Ich finde wie Handke, dass Van Morrison, „sein Sänger“, seit gut 50 Jahren nichts falsch macht (auch nicht auf dem neuen Album, das in zwei Wochen erscheint), dass Beatles und Dylan die Welt verändert haben und dass „ein großes Lied etwas ist, das einen ergreift“. Handkes Neid auf die Musiker, auf die, die Songs schreiben können, teile ich auch. „Ja, manchmal bin ich neidisch. Aber schön neidisch! Diesen Neid hab ich gern“, wird er später im Interview sagen. Noch aber ist Hendl-Liturgie in Maria Plain. Ich sitze am Tisch als geringster unter den Brüdern, als Fremder, den der Herr dennoch füttert. Also genauer: füttern will. Weil ich’s ja nicht nehme, das golden gebackene Hendlhaxer­l. Ich bin profession­ell dort. Da nimmst du kein Hendl vom Peter.

Ein paar enge Freunde gibt es, die diese Geschichte seit vielen Jahren kennen. Oft drängten sie mich, ich solle sie endlich aufschreib­en. Ich wollte nicht. Jetzt aber, eineinhalb Jahrzehnte später, legt mir die Schwedisch­e Akademie einen Elfer auf, bei dem jeder Torwart Angst kriegen muss. Jetzt passt’s: „Ein Hendl vom Peter, Nobelpreis­träger“, erinnerte mich geschätzte sieben Minuten nach Bekanntgab­e der Nobeljurye­ntscheidun­g ein Freund per WhatsApp an die alte Geschichte. Und das ist einfach ein zu verlockend­er Titel, als dass man sich den entgehen lassen könnte. Erst recht nicht, weil ich las, dass Handke sagte, er habe am Tag der Verleihung bis zum frühen Abend „nichts getrunken und gegessen“. Aber er werde wohl noch mit seiner Frau in ein kleines Restaurant zum Essen gehen. Ob’s Backhendl gab, ist noch nicht überliefer­t, aber einen schönen Weißwein zum Abendmahl werden s’ dort schon gehabt haben. Hoffentlic­h, weil Handke kam ja zu nichts untertags. Er ging nämlich im Wald spazieren – genauer: Er sei „durch den Wald geeiert“. Da fällt den Alles-sofort-Selbstmitt­eilern natürlich das Smartphone aus der Hand und sie greifen sich an den Kopf. Kriegt einen Über-Preis und geht spazieren?! Geht’s noch, Oida? Geht. Genau. Und genauso macht man das. Man hüpft nicht wegen eines Preises blöd durch die Gegend, man tränt nicht vor Kameras oder schluchzt worldwide. Man fragt wie Handke: „Ist das wahr?“Man bekommt die Antwort „Ja“– und dann geht man in den Wald, auch wenn gar nicht mehr Pilzsaison ist. Und bevor man geht, schaltet man den CD-Player sicher nicht aus. Überliefer­t von Handke ist nämlich, dass er Musik, sagen wir einmal Van Morrison, weiterlauf­en lässt, wenn er aus dem Haus geht: „Irgendwer wird’s schon hören“, sagt er dazu. So geht das, wenn man einen Preis bekommt und weiß, dass er einem zusteht.

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