Standortgesetz stößt in der EU auf Widerstand
Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein. Umweltschützer fordern „sofortige“Rücknahme des Gesetzes.
Das strittige Standortentwicklungsgesetz (StEntG) samt einem beschleunigten Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) missfällt der EU-Kommission. Sie beanstandet „mehrere problematische Aspekte der Vorschriften zur Umsetzung der geänderten UVP-Richtlinie in österreichisches Recht“und hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens sei unter anderem das neue Standortentwicklungsgesetz, teilt die EU-Kommission mit. Das Gesetz wurde von der früheren ÖVP-FPÖ-Regierung und den Neos beschlossen.
„In Österreich sind mehrere problematische Aspekte der Vorschriften zur Umsetzung der geänderten UVP-Richtlinie in österreichisches Recht Gegenstand des Verfahrens“, begründet die EU-Kommission ihr Vorgehen. Eine Grundlage für das Verfahren der EU ist eine Beschwerde, die vom Ökobüro eingebracht worden war.
Das im Vorjahr beschlossene Gesetz, das seit Anfang 2019 in Kraft ist, soll schnellere Verwaltungsverfahren ermöglichen, sobald ein Beirat ein Projekt als „standortrelevant“oder „im öffentlichen Interesse“ eingestuft hat. Damit hebelt die neue „Lex specialis“andere gesetzliche Bestimmungen aus. Sie sieht folgenden Zeitplan vor: Bewertet der Beirat ein Projekt innerhalb von sechs Monaten als standortrelevant, muss nach spätestens noch einmal sechs Monaten in der UVP klar sein, ob es grundsätzlich bewilligbar ist. Nach neuerlichen sechs Monaten muss die UVP abgeschlossen sein – in Summe also 18 Monate nach dem Antrag. Bisher dauerten UVP oft viele Jahre und verzögerten damit geplante Großprojekte wie die Errichtung einer dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat, die Neutrassierung der 380-kV-Leitung in Salzburg, den Semmering-Bahntunnel oder den Bau des LobauTunnels bei Wien.
Umweltschutzorganisationen sehen sich in ihrer Kritik an dem strittigen Gesetz bestätigt. „Mit dem Vertragsverletzungsverfahren straft die EU-Kommission die Umweltpolitik von ÖVP und FPÖ ab“, kommentiert Greenpeace am Freitag die Entscheidung der EU-Kommission. Die jetzige Regierung müsse „sofort handeln und das Gesetz zurücknehmen“. Auch jede zukünftige Regierung sei „in der Pflicht, Umweltrechte (…) auszubauen, anstatt Großprojekte durchzuboxen“. Dem schlossen sich Global 2000 und der WWF an. Die Regierung müsse das Gesetz „möglichst rasch zurücknehmen, bevor es in der Praxis Schaden an Natur und Umwelt anrichten kann“, sagt Hanna Simons vom WWF. Zentrale Bestimmungen seien „sowohl verfassungsrechtlich höchst problematisch als auch unionsund völkerrechtlich sehr bedenklich“. Hohe Umweltstandards müssten „auch in Österreich wieder gesichert werden“, verlangt Global-2000-Sprecher Johannes Wahlmüller.
Österreich steht mit der Kritik aus Brüssel an seinem Umweltrecht nicht allein da. Auch Länder wie Dänemark, Schweden, Portugal oder Slowenien wurden von der EU „nachdrücklich“aufgefordert, ihr innerstaatliches Recht mit der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Richtlinie 2011/92/EU) in Einklang zu bringen.