Zu Besuch bei Herkules Aeneas Kurz
Dass Sebastian Kurz seine Sondierungsgespräche vulgo Koalitionsverhandlungen im Winterpalais des Prinzen Eugen in der Wiener Himmelpfortgasse abhält, überrascht Innenseitige (also deutschsprachige Insider) nicht wirklich. Denn zwischen dem Ex-und-bald-wiederKanzler und dem großen kleinen Feldherrn muss eine Art von Seelenverwandtschaft bestehen.
Wie Kurz machte auch der Prinz Eugen schon in jungen Jahren Karriere. Im zarten Alter von 20 Jahren verließ er seine französische Heimat und ritt auf seinem Pferd (das entgegen anders lautenden Meldungen garantiert nicht „Geilomobil“hieß) nach Österreich, wo er prompt die Chefstelle in einem Dragonerregiment übertragen bekam.
Es folgten militärische Ruhmestaten, durch die es der Prinz zu enormem politischen Einfluss und unermesslichem Reichtum brachte, sodass er sich in Wien außer dem luftigen Sommerschloss Belvedere auch noch ein prunkvolles Stadtpalais für die kühlen Wintermonate erbauen lassen konnte.
Als Dank für Eugens Dienste befreite der Kaiser dieses Gebäude in der Himmelpfortgasse für ewige Zeiten von allen Steuerlasten. Womit garantiert ist, dass wir für das Zusehen bei den Koalitionsverhandlungen sicher keine Vergnügungssteuer zahlen müssen.
Noch aus einem zweiten Grund dürfte ÖVP-Chef Kurz seine Mitsondierer ausgerechnet im Palais des Prinzen Eugen empfangen. Und zwar wegen der Reliefs beim Eingang. Davon gibt es zwei Stück, die beide das Selbstbild des ursprünglichen Hausherrn erahnen lassen.
Rechts schleppt er als halbgöttlicher Held Aeneas seinen greisen Vater Anchises aus den Flammen des brennenden Troja. Und links ringt er als ebenso halbgöttlicher Herkules den bis dahin unbezwingbaren Riesen Antaeus nieder. So also sah sich der Prinz Eugen.
Sebastian Kurz wird sich schon was dabei gedacht haben, dass er den Parteichefs, die zu ihm zu den Sondierungen kommen, genau diese Bilder zeigt. Blicken sie beim Eingang nach links, sehen sie, dass der Hausherr der Stärkste aller Starken ist. Und rechts bekommen sie vorgeführt, dass er sie jederzeit auf den Arm nehmen kann. Das nennt man Verhandlungstaktik.
Außer den Parteichefs strömen derzeit auch Journalisten und Kameraleute sonder Zahl zu den Sondierungen. Beobachter sprechen von einem wahren Ansturm auf das Winterpalais, was insofern unpassend ist, als es einen solchen Sturm bekanntlich schon einmal gab, und zwar auf das Winterpalais des Zaren in St. Petersburg. Damals, 1917, war das in Russland der Startschuss für die kommunistische Revolution. Und sooo eine dramatische Politik-Kehrtwende werden die Grünen bei ihren Verhandlungen mit Herkules Aeneas Kurz nun auch wieder nicht erreichen …
Wer Himmelpfortgasse hört, denkt automatisch an das Finanzministerium, das sich von 1848 bis 2013 dort im Winterpalais befand. Legionen von Finanzministern führten passenderweise im Schlachtenbildersaal des Prinzen Eugen ihre Finanzausgleichsverhandlungen mit den Ländern. Heerscharen von Finanzstaatssekretären jammerten ausgerechnet im prinzlichen Goldkabinett über die Ebbe im Budget. Irgendwie typisch, dass sich der Fiskus in einem Haus breitmachte, das selbst steuerbefreit war, nicht wahr?
Bleibt zuletzt die Frage, warum Kurz seine Sondierungsgäste fast genau an jener Stelle empfängt, wo früher KarlHeinz Grasser seinen Schreibtisch als Finanzminister stehen hatte. Was will uns der ÖVP-Chef damit sagen? Möchte er uns vielleicht darauf vorbereiten, dass der Prozess der Regierungsbildung so lang dauern wird wie der Grasser-Prozess? Der läuft seit mittlerweile 22 Monaten. Ende: nicht absehbar.