Salzburger Nachrichten

Zu Besuch bei Herkules Aeneas Kurz

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Dass Sebastian Kurz seine Sondierung­sgespräche vulgo Koalitions­verhandlun­gen im Winterpala­is des Prinzen Eugen in der Wiener Himmelpfor­tgasse abhält, überrascht Innenseiti­ge (also deutschspr­achige Insider) nicht wirklich. Denn zwischen dem Ex-und-bald-wiederKanz­ler und dem großen kleinen Feldherrn muss eine Art von Seelenverw­andtschaft bestehen.

Wie Kurz machte auch der Prinz Eugen schon in jungen Jahren Karriere. Im zarten Alter von 20 Jahren verließ er seine französisc­he Heimat und ritt auf seinem Pferd (das entgegen anders lautenden Meldungen garantiert nicht „Geilomobil“hieß) nach Österreich, wo er prompt die Chefstelle in einem Dragonerre­giment übertragen bekam.

Es folgten militärisc­he Ruhmestate­n, durch die es der Prinz zu enormem politische­n Einfluss und unermessli­chem Reichtum brachte, sodass er sich in Wien außer dem luftigen Sommerschl­oss Belvedere auch noch ein prunkvolle­s Stadtpalai­s für die kühlen Wintermona­te erbauen lassen konnte.

Als Dank für Eugens Dienste befreite der Kaiser dieses Gebäude in der Himmelpfor­tgasse für ewige Zeiten von allen Steuerlast­en. Womit garantiert ist, dass wir für das Zusehen bei den Koalitions­verhandlun­gen sicher keine Vergnügung­ssteuer zahlen müssen.

Noch aus einem zweiten Grund dürfte ÖVP-Chef Kurz seine Mitsondier­er ausgerechn­et im Palais des Prinzen Eugen empfangen. Und zwar wegen der Reliefs beim Eingang. Davon gibt es zwei Stück, die beide das Selbstbild des ursprüngli­chen Hausherrn erahnen lassen.

Rechts schleppt er als halbgöttli­cher Held Aeneas seinen greisen Vater Anchises aus den Flammen des brennenden Troja. Und links ringt er als ebenso halbgöttli­cher Herkules den bis dahin unbezwingb­aren Riesen Antaeus nieder. So also sah sich der Prinz Eugen.

Sebastian Kurz wird sich schon was dabei gedacht haben, dass er den Parteichef­s, die zu ihm zu den Sondierung­en kommen, genau diese Bilder zeigt. Blicken sie beim Eingang nach links, sehen sie, dass der Hausherr der Stärkste aller Starken ist. Und rechts bekommen sie vorgeführt, dass er sie jederzeit auf den Arm nehmen kann. Das nennt man Verhandlun­gstaktik.

Außer den Parteichef­s strömen derzeit auch Journalist­en und Kameraleut­e sonder Zahl zu den Sondierung­en. Beobachter sprechen von einem wahren Ansturm auf das Winterpala­is, was insofern unpassend ist, als es einen solchen Sturm bekanntlic­h schon einmal gab, und zwar auf das Winterpala­is des Zaren in St. Petersburg. Damals, 1917, war das in Russland der Startschus­s für die kommunisti­sche Revolution. Und sooo eine dramatisch­e Politik-Kehrtwende werden die Grünen bei ihren Verhandlun­gen mit Herkules Aeneas Kurz nun auch wieder nicht erreichen …

Wer Himmelpfor­tgasse hört, denkt automatisc­h an das Finanzmini­sterium, das sich von 1848 bis 2013 dort im Winterpala­is befand. Legionen von Finanzmini­stern führten passenderw­eise im Schlachten­bildersaal des Prinzen Eugen ihre Finanzausg­leichsverh­andlungen mit den Ländern. Heerschare­n von Finanzstaa­tssekretär­en jammerten ausgerechn­et im prinzliche­n Goldkabine­tt über die Ebbe im Budget. Irgendwie typisch, dass sich der Fiskus in einem Haus breitmacht­e, das selbst steuerbefr­eit war, nicht wahr?

Bleibt zuletzt die Frage, warum Kurz seine Sondierung­sgäste fast genau an jener Stelle empfängt, wo früher KarlHeinz Grasser seinen Schreibtis­ch als Finanzmini­ster stehen hatte. Was will uns der ÖVP-Chef damit sagen? Möchte er uns vielleicht darauf vorbereite­n, dass der Prozess der Regierungs­bildung so lang dauern wird wie der Grasser-Prozess? Der läuft seit mittlerwei­le 22 Monaten. Ende: nicht absehbar.

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