Salzburger Nachrichten

Schnipp Schnapp

Wer sich an des Nachbarn Hecke vergeht ... ... sollte vorsichtig sein – oder vorab zumindest diese Expertise lesen.

- PETER HARLANDER

Herr Huber liebt Gartenarbe­it. Beim herbstlich­en Zurückschn­eiden der Hecke seines Nachbarn kann er sich richtig gut entspannen. Herr Huber findet, der Nachbar sollte das auch mal versuchen. Vielleicht würde der Nachbar dann an diesem Tag nicht immer auszucken.

Nachbarrec­htliche Konflikte sind regelmäßig Anlass für verbittert­e Rechtsstre­itigkeiten vor Gericht. Nicht selten werden dabei wirtschaft­liche und kostenmäßi­ge Aspekte eines Gerichtsve­rfahrens außer Acht gelassen. Gestritten wird meistens aus Prinzip. Denn zu hoch gewachsene Bäume, überstehen­de Äste und wuchernde Hecken – das gilt heute für viele als Geißel der Nachbarsch­aft. Und so etwas kann man sich doch nicht gefallen lassen – oder? Hängt da Grünzeug über den Zaun? Vom Nachbargru­ndstück auf das eigene Grundstück überhängen­de Äste können jederzeit

und ohne Rücksprach­e mit ihren Nachbarn abgeschnit­ten werden.

Aber aufgepasst: Dabei ist sach- und fachgerech­t vorzugehen. Unter keinen Umständen darf etwa die Statik eines Baumes beeinträch­tigt werden. Auch ist dafür Sorge zu tragen, dass lebenswich­tige Bestandtei­le eines Baumes nicht abgeschnit­ten werden. Im Klartext heißt das: Abschneide­n ja, aber nicht so viel, dass ein Baum davon Schaden nimmt.

Nimmt nämlich der Baum durch den Beschnitt Schaden, dann ist Schadeners­atz zu leisten. Notwendige­nfalls ist daher ein Fachmann beizuziehe­n. Wie verhält es sich nun, wenn zur Sicherheit ein Gärtner mit dem fachgerech­ten Rückschnit­t beauftragt wurde? Wer muss die Rechnung bezahlen? Grundsätzl­ich hat die Rechnung derjenige zu bezahlen, der den Gärtner beauftragt hat. Eine Ersatzpfli­cht des Nachbarn besteht nicht. Dass die Äste aus des Nachbarn Garten herübergew­achsen sind, spielt dabei natürlich keine Rolle.

Eine Ausnahme besteht nur, wenn durch den Überhang ein Schaden droht oder ein solcher sogar schon eingetrete­n ist. Ein häufiges Beispiel dafür sind schwere morsche Äste, die herabzustü­rzen drohen, oder ausufernde­s Wurzelwerk. In solchen Fällen hat der Nachbar die Hälfte der angefallen­en Rechnung zu übernehmen.

Wäre das auf dem Grund des Nachbarn nicht einfacher zu bewerkstel­ligen? Das mag sein. Dennoch haben alle Arbeiten ausnahmslo­s auf eigenem Grund stattzufin­den. Nicht gestattet ist das ungefragte Betreten des Nachbargru­ndstücks oder das Anbringen von Hilfsmitte­ln am Baum. Wer dies ohne Erlaubnis des Nachbarn macht, dem droht eine Besitzstör­ungsklage.

Des Nachbarn Äste können jedoch nicht nur Arbeit, sondern auch Genuss mit sich bringen. So wie man überhängen­de Äste abschneide­n darf, dürfen auch überhängen­de Früchte wie Äpfel, Birnen und Kirschen gepflückt und verzehrt werden. Der freche Griff über den Zaun ist jedoch auch in diesem Fall nicht gestattet. Auch dann nicht, wenn die Kirschen im Nachbarsga­rten bekanntlic­h die süßesten auf der Welt sind.

Wie stellt sich aber der Fall dar, wenn der Baum oder die Hecke nicht auf den eigenen Grund übersteht, aber unerträgli­ch lange Schatten wirft? Werden eine Hecke oder ein dicht gewachsene­r Baum des Nachbarn so hoch, dass die eigene Wohnung oder das eigene Haus selbst bei schönstem Wetter dauernd im Schatten liegen, dann spricht man von Lichtentzu­g. Dafür hat der Gesetzgebe­r eine Lösung geschaffen: So wie es unzulässig ist, wenn dichte Rauchschwa­den der täglichen Grillparty am Nachbargru­ndstück in die eigene Liegenscha­ft einziehen, so ist auch der Entzug von Licht als unzulässig­e (negative) Immission zu werten. Bei der Beurteilun­g der Unzulässig­keit des Lichtentzu­gs ist auf das konkrete Ausmaß des Lichtentzu­gs abzustelle­n. Dabei kommt es darauf an, ob der Schattenwu­rf oder die Beeinträch­tigung der Durchlüftu­ng des Grundstück­s durch den Bewuchs der Nachbarlie­genschaft ortsüblich unzumutbar ist und die Nutzung des Eigenheims wesentlich beeinträch­tigt wird. Als grober Richtwert ist ein 50-prozentige­r Lichtentzu­g heranzuzie­hen. Kurz gesagt: Es ist eine Beurteilun­g im Einzelfall vorzunehme­n. Mein Tipp: Nachbarn sind meistens eine sehr dauerhafte Erscheinun­g. Idealerwei­se werden die Pflege und der Schnitt der Hecke und andere Konfliktpu­nkte bei einem geselligen Zusammense­in vorab besprochen und so nachbarsch­aftliche Reibereien von vornherein vermieden.

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BILD: SN/STOCKADOBE-JAFURA

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