Schnipp Schnapp
Wer sich an des Nachbarn Hecke vergeht ... ... sollte vorsichtig sein – oder vorab zumindest diese Expertise lesen.
Herr Huber liebt Gartenarbeit. Beim herbstlichen Zurückschneiden der Hecke seines Nachbarn kann er sich richtig gut entspannen. Herr Huber findet, der Nachbar sollte das auch mal versuchen. Vielleicht würde der Nachbar dann an diesem Tag nicht immer auszucken.
Nachbarrechtliche Konflikte sind regelmäßig Anlass für verbitterte Rechtsstreitigkeiten vor Gericht. Nicht selten werden dabei wirtschaftliche und kostenmäßige Aspekte eines Gerichtsverfahrens außer Acht gelassen. Gestritten wird meistens aus Prinzip. Denn zu hoch gewachsene Bäume, überstehende Äste und wuchernde Hecken – das gilt heute für viele als Geißel der Nachbarschaft. Und so etwas kann man sich doch nicht gefallen lassen – oder? Hängt da Grünzeug über den Zaun? Vom Nachbargrundstück auf das eigene Grundstück überhängende Äste können jederzeit
und ohne Rücksprache mit ihren Nachbarn abgeschnitten werden.
Aber aufgepasst: Dabei ist sach- und fachgerecht vorzugehen. Unter keinen Umständen darf etwa die Statik eines Baumes beeinträchtigt werden. Auch ist dafür Sorge zu tragen, dass lebenswichtige Bestandteile eines Baumes nicht abgeschnitten werden. Im Klartext heißt das: Abschneiden ja, aber nicht so viel, dass ein Baum davon Schaden nimmt.
Nimmt nämlich der Baum durch den Beschnitt Schaden, dann ist Schadenersatz zu leisten. Notwendigenfalls ist daher ein Fachmann beizuziehen. Wie verhält es sich nun, wenn zur Sicherheit ein Gärtner mit dem fachgerechten Rückschnitt beauftragt wurde? Wer muss die Rechnung bezahlen? Grundsätzlich hat die Rechnung derjenige zu bezahlen, der den Gärtner beauftragt hat. Eine Ersatzpflicht des Nachbarn besteht nicht. Dass die Äste aus des Nachbarn Garten herübergewachsen sind, spielt dabei natürlich keine Rolle.
Eine Ausnahme besteht nur, wenn durch den Überhang ein Schaden droht oder ein solcher sogar schon eingetreten ist. Ein häufiges Beispiel dafür sind schwere morsche Äste, die herabzustürzen drohen, oder ausuferndes Wurzelwerk. In solchen Fällen hat der Nachbar die Hälfte der angefallenen Rechnung zu übernehmen.
Wäre das auf dem Grund des Nachbarn nicht einfacher zu bewerkstelligen? Das mag sein. Dennoch haben alle Arbeiten ausnahmslos auf eigenem Grund stattzufinden. Nicht gestattet ist das ungefragte Betreten des Nachbargrundstücks oder das Anbringen von Hilfsmitteln am Baum. Wer dies ohne Erlaubnis des Nachbarn macht, dem droht eine Besitzstörungsklage.
Des Nachbarn Äste können jedoch nicht nur Arbeit, sondern auch Genuss mit sich bringen. So wie man überhängende Äste abschneiden darf, dürfen auch überhängende Früchte wie Äpfel, Birnen und Kirschen gepflückt und verzehrt werden. Der freche Griff über den Zaun ist jedoch auch in diesem Fall nicht gestattet. Auch dann nicht, wenn die Kirschen im Nachbarsgarten bekanntlich die süßesten auf der Welt sind.
Wie stellt sich aber der Fall dar, wenn der Baum oder die Hecke nicht auf den eigenen Grund übersteht, aber unerträglich lange Schatten wirft? Werden eine Hecke oder ein dicht gewachsener Baum des Nachbarn so hoch, dass die eigene Wohnung oder das eigene Haus selbst bei schönstem Wetter dauernd im Schatten liegen, dann spricht man von Lichtentzug. Dafür hat der Gesetzgeber eine Lösung geschaffen: So wie es unzulässig ist, wenn dichte Rauchschwaden der täglichen Grillparty am Nachbargrundstück in die eigene Liegenschaft einziehen, so ist auch der Entzug von Licht als unzulässige (negative) Immission zu werten. Bei der Beurteilung der Unzulässigkeit des Lichtentzugs ist auf das konkrete Ausmaß des Lichtentzugs abzustellen. Dabei kommt es darauf an, ob der Schattenwurf oder die Beeinträchtigung der Durchlüftung des Grundstücks durch den Bewuchs der Nachbarliegenschaft ortsüblich unzumutbar ist und die Nutzung des Eigenheims wesentlich beeinträchtigt wird. Als grober Richtwert ist ein 50-prozentiger Lichtentzug heranzuziehen. Kurz gesagt: Es ist eine Beurteilung im Einzelfall vorzunehmen. Mein Tipp: Nachbarn sind meistens eine sehr dauerhafte Erscheinung. Idealerweise werden die Pflege und der Schnitt der Hecke und andere Konfliktpunkte bei einem geselligen Zusammensein vorab besprochen und so nachbarschaftliche Reibereien von vornherein vermieden.