Facebook an der Leine
Löschverpflichtung für Hasspostings. Wird durch das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs auch die Meinungsfreiheit beschränkt?
Facebook und andere gobal verfügbare soziale Netzwerke müssen, wie berichtet, künftig sogenannte Hasspostings weltweit löschen, wenn dies ein nationales Gericht anordnet. Es geht also nicht nur um das Löschen auf der jeweils national zugänglichen Plattform. Das hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) mit Urteil vom 3. Oktober im Fall der österreichischen Ex-Politikerin Eva Glawischnig entschieden. Aber nicht genug damit: Die Betreiber müssen auf den von ihnen verwalteten Seiten auch „sinngleiche“Formulierungen suchen und löschen.
Diese Verpflichtung von Host-Providern geht weit über deren bisherige Aufgaben als Zensoren ex post hinaus und wirft einige Fragen auf, die nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch Grundsatzfragen menschlicher Kommunikation berühren. Besonders im Kontext mit Geund Verboten greifen semantische Deutungen oft zu kurz. Mit einem „Hundeverbot“in einem Verkaufslokal sind womöglich auch Katzen gemeint, ein Puma ist zwar kein „Listenhund“, aber ein Wildtier, dessen Haltung verboten ist. Um ein sinnvolles Ergebnis der Auslegung zu erzielen, muss auch das Umfeld oder das Motiv einer Äußerung berücksichtigt werden.
Viele Menschen, die Facebook und Co. täglich ihr Intimstes anvertrauen, jubeln über den „Sieg“. Warnende Stimmen sehen aber auch die Meinungsfreiheit gefährdet. Denn schon bisher war unbestritten: Die Informationsfreiheit muss man verantwortungsvoll ausüben. Insbesondere Nichtpolitiker, also Menschen abseits des Scheinwerferlichts, haben ein Recht, wenn überhaupt, nur sachlich und angemessen kritisiert zu werden. Selbst Politiker oder Angehörige der „Seitenblicke“Gesellschaft müssen sich nicht jegliche Beleidigung gefallen lassen. Einschränkungen zum Schutz des guten Rufes und der Rechte Dritter rechtfertigen auch Sanktionen gegenüber allzu vorlauten Postern und Löschungsverpflichtungen an Provider. Pointierte Kritik an Politikern und Menschen, die ihr Leben selbst gerne öffentlich machen, ist legitim und zählt zur Ausübung dieses Menschenrechts.
Daher müssen diese „Public Figures“auch eine dickere Haut haben, wenn Volkes Stimme spricht. Das nunmehrige Urteil ist insofern ein Novum, als noch nie ein Medieninhaber oder Provider zur aktiven Suche nach ähnlichen, herabsetzenden Formulierungen wie den konkret bekämpften verpflichtet wurde. Es könnte sein, dass der EuGH hier übers Ziel geschossen hat, auch wenn „sinngleiche Formulierungen“mittels technisch-automatisierter Vorgangsweise gesucht werden sollen. Rein mechanische Vergleiche von Äußerungen sind allerdings problematisch. Automatismen und Wortsuchen bergen auch die eminente Gefahr für die Freiheit, Werturteile öffentlich via Medien abzugeben, selbst für jene, die eine feine Klinge führen. So könnten künftig womöglich auch satirische und ironische Wendungen dem automatischen Suchund Löschprogramm zum Opfer fallen.
Alles in allem erweist sich Sprache als zu komplex, um das vom EuGH angesprochene Ziel zu erreichen. Letztlich müssen daher entweder kundige Zensoren die Foren überwachen. Oder das Verwenden von Fake-Namen und der anonyme Zugang müssen ausgeschlossen werden.