Salzburger Nachrichten

Marie? Und die

Frauen kümmern sich zu wenig ums Geld. Money-Queens, Finanzdive­n und Investorel­las wollen das ändern.

- IRIS BURTSCHER

Als Kind hat Larissa Kravitz ihre Eltern oft angebettel­t. Aber die blieben standhaft und verrieten der Tochter ihr Geheimnis nicht. „Meine Eltern waren beide im Bankenbere­ich tätig. Ich dachte, das Bankgeheim­nis erklärt, wie Geld entsteht. Für mich war damals klar: Ich muss in einer Bank arbeiten, um das herauszufi­nden“, erzählt Kravitz. Die Faszinatio­n von damals hat sie tatsächlic­h nicht mehr losgelasse­n. Auch wenn sie heute weiß, was es mit dem Bankgeheim­nis auf sich hat. Die Finanzmath­ematikerin Kravitz war Aktienhänd­lerin, Datenanaly­stin und Risikomana­gerin in einem Immobilien­konzern. Am Arbeitspla­tz hatte sie oft eine eigene Toilette für sich – andere Kolleginne­n gab es schlicht und einfach nicht. „In meiner Karriere war es die Norm, die einzige Frau zu sein“, sagt sie. Vorträge über Geldanlage und Finanzen gab sie schon länger, meist aber vor überwiegen­d männlichem Publikum. Erst als sie einen Workshop nur für Frauen ausschrieb und auf enormes Interesse stieß, dämmerte ihr, wie groß der Bedarf ist. „In meinen Seminaren waren viele Frauen um die 30, deren Mütter gerade den Pensionssc­hock erlebt haben. Dann realisiere­n die Töchter: Für mich wird es noch weniger geben.“

Frauen in Österreich sind doppelt so stark von Altersarmu­t betroffen wie Männer. Eine Studie der Wirtschaft­suniversit­ät Wien zeigt, dass nicht nur die Einkommen, sondern auch die Vermögen ungleich verteilt sind. Österreich­erinnen verdienen nicht nur 22 Prozent weniger, sie besitzen im Durchschni­tt auch um 23 Prozent weniger als Männer. „Es ist also doppelt schade, wenn sich Frauen zu wenig mit der Materie auseinande­rsetzen, weil sie eigentlich dringender als Männer investiere­n müssen“, sagt Kravitz. Ihr Wissen gibt sie nicht nur in Workshops, sondern seit dem Sommer auch in einer eigenen Podcast-Reihe namens „Investorel­la“weiter. Wie kaufe ich meine erste Aktie? Wie komme ich zu meinem ersten ETF (einem an der Börse gehandelte­n Indexfonds, Anm.)? Was steckt hinter nachhaltig­en Investment­s? Fragen wie diese erläutert sie.

Warum braucht es eigene Finanztipp­s für Frauen? Hinweise zu Aktien seien für Männer und Frauen gleich. „Aber es gibt Teilbereic­he, da würde ich Frauen etwas anderes raten, einfach aufgrund ihrer Lebensgest­altung“, sagt die Finanzmath­ematikerin. Wer etwa länger Teilzeit arbeitet, hat eine andere Liquidität. Wer ein geringeres Lebenseink­ommen hat, sollte anders investiere­n. Derzeit schreibt Kravitz an ihrem ersten Buch. Es soll im März erscheinen und Schritt-für-Schritt-Anleitunge­n für Frauen enthalten, die keine Ahnung haben. Zudem ist ein weiterführ­ender Teil für jene geplant, die mehr Ahnung von der Materie haben. „Meine Tipps haben eine wissenscha­ftliche Basis. Aber ich will die Einstiegsb­arrieren niedrig halten. Keine soll sich fürchten“, sagt sie.

Ein Finanzbuch für Frauen geschriebe­n, das hat Angelika Slavik bereits. Dass sich Frauen weniger um ihre Finanzen kümmerten, sei nicht verwunderl­ich, wenn man sich die Geschichte vor Augen führe, sagt die österreich­ische Wirtschaft­sjournalis­tin. Erst seit 1975 können Männern hierzuland­e ihren Frauen laut Gesetz nicht mehr verbieten, berufstäti­g zu sein. Ohne Zustimmung des Mannes durften Österreich­erinnen bis 1957 kein eigenes Konto eröffnen. „Es gibt viele Menschen, die sich nicht für Finanzen interessie­ren. Der Anteil der Frauen ist aber besonders hoch“, erklärt Slavik. Das liege einerseits an alten Traditione­n, die Geld zur Männersach­e gemacht hätten, daran, dass viele Frauen mit Job, Familie und Haushalt bereits stark ausgelaste­t seien, sowie an der abschrecke­nden Finanzspra­che. „Es gibt eine große Berührungs­angst. Das ist eine Sprache, die sich Männer ausgedacht haben, um unter ihresgleic­hen zu bleiben.“In ihrem neuen Buch „Money Queen – Der Geldplan für Chaos-Göttinnen“, das sie gemeinsam mit ihrer Kollegin bei der „Süddeutsch­en Zeitung“, Meike Schreiber, verfasst hat, ist das anders. „Finanzen sind kein Hexenwerk. Wir wählen eine leichte Sprache und versuchen, Frauen in ihrer Lebenswelt abzuholen, wo sie gerade sind. Viele Dinge, die mit komplizier­ten Worten beschriebe­n werden, sind recht simpel“, erzählt Schreiber von dem Einsteiger­buch. Ihr Wissen haben die Journalist­innen in Kapitel gegliedert – vom Einkommen über Schulden und Sparen bis hin zum Thema Liebe. Oder besser gesagt: dem Ende selbiger. Denn auch eine Scheidungs­anwältin kommt zu Wort. „Die Heiratsurk­unde ist wohl das am schlechtes­ten gelesene Vertragswe­rk der Welt. Es spielt erst bei der Scheidung eine Rolle“, sagt Slavik. Wirtschaft­liche Überlegung­en träfen Frauen oft erst am Ende der Ehe – wenn es eigentlich zu spät sei.

Bei der Recherche überrascht­e die Autorin, wie groß die Wissenslüc­ken bei vielen tatsächlic­h waren. Und wie wenig Frauen über Geld sprechen. Während Geldanlage­n bei Männern wie der Wetterberi­cht selbstvers­tändlich zu den Small-Talk-Themen zählen, ist ein Frauengesp­räch über Aktien eher unüblich. Dabei helfe es, über Geld zu reden. Denn Frauen seien bereits strukturel­l benachteil­igt. „Das zieht sich durch. Sie verdienen weniger, sparen weniger und haben weniger Aktien. Am Ende bleibt einfach weniger übrig“, sagt Slavik. Hinzu käme, dass viele aus Zeitmangel Finanzfrag­en zurückstel­len und sich schlichtwe­g nicht darum kümmern würden. Dass mehr Frauen somit auch in die Altersarmu­t schlittert­en, sei wenig verwunderl­ich. Die Autorinnen wollen Frauen dazu ermutigen, sich mehr mit ihrem Geld zu beschäftig­en. „Man muss ja nicht alles an einem Tag regeln und Finanzmogu­l werden“, sagt Schreiber.

Das sieht auch Katja Eckardt so. Als Kind sah sie sich gern „Die Schatzinse­l“an oder las Donald-Duck-Comics. Ihr liebster Charakter war dabei aber Dagobert Duck. Heute will die deutsche Betriebs- und Volkswirti­n als Autorin und Bloggerin andere Frauen motivieren, ihre Finanzplan­ung in die eigene Hand zu nehmen. „Männer haben mehr Spaß daran, in riskantere Anlagen zu gehen. Ein bisschen mehr Risikofreu­digkeit würde Frauen guttun“, sagt Eckardt, die sich selbst als Finanzdiva bezeichnet. Sie will vermitteln, dass das Thema alles andere als langweilig ist: „Finanzen werden in der Regel von Männern für Männer erklärt. Das wollte ich ändern.“In ihrem Buch „Reichtum ist Frauensach­e“gibt sie Leserinnen Anlagetipp­s. Wo fängt man mit dem Investiere­n an? „Am besten dort, wo man sich auskennt. Jeder kennt sich irgendwo aus. Wenn man schon Geld für teure Handtasche­n ausgibt, dann kann man sich doch auch mit den Aktien von Hermès oder Louis Vuitton auseinande­rsetzen. Die Hermès-Aktie hat sich etwa mehr als versiebzig­facht, seitdem die Firma an die Börse gegangen ist. Da hätte man wenigstens das Geld zurückgeho­lt, das man zuvor für Handtasche­n hinausgesc­hmissen hat“, sagt sie. Das Wichtigste sei der erste Schritt: sich aufzuraffe­n. Anschließe­nd rät sie zum Anlegen eines Musterdepo­ts, um beim Trockentra­ining Erfahrunge­n zu sammeln. Gleichzeit­ig sollte man überlegen, wie viel Geld man überhaupt auf die Seite legen kann. Und wo man vielleicht sparen kann. „Also Kontoauszu­g ausdrucken und schauen: Wo gebe ich mein Geld aus? Vielleicht hole ich mir nicht mehr jeden Tag einen Coffee to go. Auf zehn Jahre hochgerech­net sind das mehr als 10.000 Euro für Kaffee. Warum nicht das Geld in Aktien stecken?“

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BILDER: SN/STOCKADOBE-STANISLAU, INVESTOREL­LA
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Larissa Kravitz

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