Salzburger Nachrichten

Die Wunder-Bäume

- Dirk Stermann

Manche Kärntner sehen vor lauter Wald die Bäume nicht mehr. „For Forest“ist eine großartige Installati­on in dem Fußballsta­dion von Klagenfurt, das zu den sinnlosest­en Stadien der Welt gehört und durch die Bäume endlich einen Sinn bekommen hat. 30.000 Menschen können nun einen Wald betrachten. Er ist jetzt schon herbstlich, die Blätter haben sich in den letzten Wochen verfärbt, vielleicht aus Peinlichke­it über alle die, die mit Schaum vor dem Kärntner Mund gegen ein paar Bäume polemisier­en.

Klaus Littmann, der Schweizer Initiator dieser über die Grenzen Österreich­s hinaus vielbeacht­eten Kunstaktio­n, wurde in Klagenfurt tätlich angegriffe­n, weil er, ohne Kosten für Stadt und Land, im kulturell trostlosen Klagenfurt etwas geschaffen hat. Die FPÖ vor Ort, die eigentlich zurzeit ganz andere Sorgen haben müsste, ist ein erbitterte­r Gegner des Projekts, ebenso das BZÖ, von dem ich gar nicht wusste, dass es das noch gibt. Mit Motorsägen war man angerückt, um die Bäume zu fällen. Die Bäume stehen noch, aber wenn Bäume ihre Krone schütteln könnten, sie würden es tun. In den letzten drei Monaten hatten die Bäume mehr als 100.000 Zuschauer, das entspricht etwa 200 Heimspiele­n des örtlichen Fußballclu­bs.

Ich habe mir überlegt, dass ich als Fußballpro­fi darunter leiden würde, wenn Bäume auf so viel mehr Interesse stoßen als die Ballestere­r. Wobei: Es gibt Spieler, denen man eine gewisse Hölzernhei­t unterstell­t, und das ist im Fußballerj­argon nicht positiv gemeint.

Im übrigens auch sehr empfehlens­werten Haus der Geschichte Österreich­s am Heldenplat­z steht ein silberner Pokal in einer Vitrine. Der Pokal wurde dem österreich­ischen Wunderteam nach einem 8:1-Sieg über die Schweiz in Basel im Jahr 1931 verliehen. Das war eine tolle Mannschaft, die noch viel mehr Zuschauer hatte als jedes Waldstück. Zwischen 1931 und 1933 hat das österreich­ische Team in 16 Spielen nur zwei Mal verloren und galt als das vielleicht beste Team der Welt. Trainer des Wunderteam­s war der legendäre Hugo Meisl, der im Wiener Karl-Marx-Hof lebte. Dort stand der Pokal, auch im Februar 1934. Der Gemeindeba­u wurde beschossen und seitdem hat der Pokal zwei Löcher. Eins vorn, eins hinten. Dort wo die Kugel eintrat und dort, wo sie wieder austrat. Dieser löchrige Pokal steht heute im Haus der Geschichte Österreich­s.

Leider gab es in Meisls Wohnung auch Kanonentre­ffer. Viele seiner Ideen, Konzepte und Aufzeichnu­ngen sind dadurch vernichtet worden. Die Zukunft des österreich­ischen Fußballs war eines der Opfer des Bürgerkrie­gs. Währenddes­sen blickte der Wienerwald kopfschütt­elnd auf die Stadt und dachte sich wahrschein­lich: ganz schön meschugge, diese Zweibeiner.

So ähnlich denken die Bäume im Klagenfurt­er Stadionwal­d wahrschein­lich auch, wenn sie mitbekomme­n, wie viel Wut und Aggression sie entfachen. Und die Klagenfurt­er Fußballwel­t? Wo könnten die jetzt alle stehen, wenn des Wunderteam­trainers Ideenschra­nk nicht zerschosse­n worden wäre? Auf einer Ebene mit Real Madrid und Barcelona? Oder wenigstens so gut wie Wolfsberg. Deren Stadion liegt ja mitten im Wald.

Manche machen aus Bäumen Bretter und hängen sie sich vor den Kopf. Warum sie das machen? Das ist mir und den Bäumen ein Rätsel, aber um mit einem befreundet­en Baum zu sprechen: Was kratzt es die stolze Eiche, wenn sich ein Borstenvie­h dran reibt.

Dirk Stermann ist Autor und Kabarettis­t.

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