1000 und die Loreley-Frage
ICHhabe es schon kommen gesehen. Konnte es aber nicht mehr verhindern und wollte es auch gar nicht. Die Radlerin vor mir passierte die Stelle mit Nummer 999. Dann kam ich. Sekundenbruchteile nach meinem Passieren der Messstation schlug die digitale Anzeige auf 1000 um. Ein erhebender Moment, ich kann es nicht leugnen.
Es ist nämlich so: Auf meinem täglichen Weg in die Redaktion passiere ich mit dem Fahrrad eine Zählanlage, die jeden vorbeifahrenden Radler mit einer elektronisch angezeigten Nummer bedenkt. Warum, das ist mir unklar. Will man das Radwegnetz verbessern? Oder sucht man nach dem besten Standort für die Einführung einer Radmaut? Wie auch immer, diese Zahlen sind willkürlich, sie entstehen durch schlichtes Aufwärtszählen. Aber als Mensch, der auf Zahlen und Wörter sensibilisiert ist, kann ich sie nicht ganz ignorieren. Auch wenn ich sie gleich wieder vergesse. Anders war das bei 1109 – das entspricht nämlich zufällig einem Geburtstag im Familienkreis. Und jetzt eben 1000.
Ich habe versucht, mir klarzumachen, dass diese Zahl vollkommen bedeutungslos ist. Vergeblich. Gerade deshalb, weil ich weiß, dass normalerweise irgendeine Zahl aufleuchtet, bekommt die glatte, blütenweiße Vierstelligkeit eine rätselhafte Bedeutung. Aber welche?, frage ich mich wie die Loreley.
Vermutlich ist es ein menschlicher Urtrieb, solchen Zahlen einen tieferen Sinn zuzuschreiben. Man erinnere sich an die Aufregung, den der Beginn des neuen Jahrtausends hervorgerufen hat. Firmen und Ämter befürchteten damals, ihre Computersysteme könnten den Wechsel der Tausenderstelle nicht überleben und zahlten Unsummen für Updates und Bereitschaftsdienste. Und wie groß war erst die Aufregung vor dem Jahreswechsel von 999 auf 1000! Manche waren offenbar so sehr vom nahenden Ende der Welt überzeugt, dass sie dazu aufriefen, dringend Buße zu tun. Sie dachten wohl, der Weltenschöpfer habe mit Speicherplatz gespart und es gebe keine göttliche Bestandsgarantie über das Jahr 999 hinaus.
Zurück ins Heute. Dass deswegen die Welt untergehen könnte, weil mir jetzt die Zahl 1000 zugefallen ist, will ich nicht ganz glauben. Obwohl es mir zugegeben nicht ganz geheuer ist, dass mein Handy ausgerechnet heute damit begonnen hat, auf noch etwas andere Art zu spinnen als bisher schon. Das Wetter erscheint mir auch irgendwie seltsam – und zur politischen Lage äußere ich mich lieber erst gar nicht.
Ansonsten kann ich nichts Konkretes bieten. Ich verspreche aber, ich werde wachsam sein und die Augen offen halten. Ich weiß nur eines: Das Ganze kann kein Zufall sein. Sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.