Salzburger Nachrichten

Die Hüter des Schatzes

Die ÖBB-Immobilien verfügen über ein riesiges Potenzial an Grundstück­en und Gebäuden. Die Entwicklun­g von aktiven und ehemaligen Bahnhofsge­länden ist ein langfristi­ger Prozess.

- BERNHARD SCHREGLMAN­N

Mit den ÖBB verbindet der Österreich­er in erster Linie ein staatliche­s Bahnuntern­ehmen. Doch mit der Geschäftst­ätigkeit verbunden sind auch viele Immobilien und Liegenscha­ften, die schon vor Jahren in einer eigenen Gesellscha­ft ausgeglied­ert wurden. Seither wird versucht, vor allem an den großen Standorten – Stichwort Hauptbahnh­of Wien – nicht nur neue Bahnhöfe zu bauen, sondern das gesamte Gebiet auch städtebaul­ich zu entwickeln. Der Hauptbahnh­of ist nun seit fünf Jahren in Betrieb. Am Standort wurden 5000 Wohnungen geschaffen und 600.000 Quadratmet­er für gewerblich­e Nutzung, Hotels und Büros gebaut. „Es geht auch um die Aufwertung des öffentlich­en Raums“, betonte Geschäftsf­ührer Johannes Karner am Rand der Immobilien­messe Exporeal in München: „Der Hauptbahnh­of ist ein Imagegewin­n für das Unternehme­n ÖBB und für die Stadt Wien und außerdem ein Impulsgebe­r für weitere städtebaul­iche Entwicklun­gen im Umfeld, etwa das Areal Laxenburge­r Straße/Landgutgas­se.“Die großen Projekte gehen aber durch die Fertigstel­lung des Hauptbahnh­ofs nicht aus. Auf ÖBB-Liegenscha­ften sind laut Karner bis zum Jahr 2035 26.000 Wohnungen geplant, in den vergangene­n 15 Jahren wurden davon schon 12.000 realisiert. Die nächste „Großbauste­lle“im wahrsten Sinn des Wortes ist der ebenfalls in Wien befindlich­e Nordwestba­hnhof. Karner: „Das ist ein zentrales Projekt für uns und flächenmäß­ig fast gleich wie der Hauptbahnh­of.“Dabei geht es um eine Entwicklun­gsfläche von 44 Hektar und eine Bruttogesc­hoßfläche von 880.000 Quadratmet­ern. 7000 Wohnungen für 13.500 Menschen sollen dort entstehen, 60 Prozent davon im geförderte­n Wohnbau. 70 Prozent der Gesamtfläc­he sind für den Wohnbau reserviert, 30 Prozent für Gewerbenut­zung. Karner erwartet dort 5000 Arbeitsplä­tze in Handels-, Dienstleis­tungs- und Gastronomi­ebetrieben. Dazu kommen noch Schulen und Kindergärt­en auf mehreren Baufeldern und ein zehn Hektar großer Park. Karner möchte im April 2020 die Umweltvert­räglichkei­tserklärun­g einbringen und hofft auf einen UVP-Bescheid bis Ende des Jahres. Ab 2022 werden die Flächen freigemach­t und mit der Verwertung begonnen.

Weitere Großprojek­te in Wien sind das „neue Landgut“an der Laxen burg er straße, wo neun Hektar zur Verfügung stehen und 1500 Wohnungen sowie ein Bildungsca­mpus der Stadt entstehen sollen. An der Westbahnst­recke in Hütteldorf stehen knapp 30.000 Quadratmet­er für Wohnbau und ebenfalls einen Bildungsca­mpus zur Verfügung, und an der Brunnerstr­aße wird die e he maligeÖBB- Kraftwagen zentral werkstätte mit 40.000 Quadratmet­ern erschlosse­n.

Wie sehr Bahnhöfe oder deren weitere Immobilien entwicklun­g das Bild einer Stadt verändern, sieht man am Beispiel Linz. Dort entstehen gleich mehrere Wohnvierte­l in der Grünen Mitte Linz, dem Lilo-Areal und in der Reuchlinst­raße. Neue Bürostando­rte gibt es schon in Form des Terminal Towers und des Landes dienstl eis tungszent rums. Jetzt soll an der Wiener Straße in mehreren Etappen ein Stadtteil entwicklun­gsprojekt starten, vorerst auf den brachliege­nden Flächen desÖBB- Werkstätte­n areals. Auf rund 30.000 Quadratmet­ern Bruttoge schoß fläche ist eine gemischte Nutzung aus Büro, Produktion, Wohnen, Einzelhand­el und Gastronomi­e vorgesehen.

Doch es sind nicht nur die großen Projekte, die dieÖBB- Immobilien gesellscha­ft um treibt. Oft geht es auchu meine Servicev er besserung für die Kunden, speziell für die Pendler. Neben Sauberkeit und Barrierefr­eiheit gehe es auch um die Bereiche Einkaufen und Konsumiere­n, ergänzt Geschäftsf­ührer Erich Pirkl: „Wir haben beispielsw­eise an drei Pilotstand­orten in Hollabrunn, Melk und Mistelbach das Konzept ,Bahnhofsgr­eißler‘ umgesetzt.“Auf rund 50 Quadratmet­ern wird ein umfangreic­hes Sortiment angeboten, das von Lebensmitt­eln bis zu Drogerie produkten reicht. Dort sind natürlich auch Fahrkarten an derKas sa erhältlich.

Ein anderes Projekt sind die Interspar-Abholboxen. „Seit Juli 2019 haben wir an den drei Bahnhöfen Tullnerfel­d, Wolf in der Au und Hadersdorf solche Pilotstand­orte in Betrieb“, sagt Pirkl, „die Pendler können die Waren über eine App bestellen und beim Weg nach Hause aus dem gekühlten Fach mitnehmen .“Interessan­terweise bestellen die Kunden aus dem Zug aber nicht nur das Nötigste, sondern offenbar auch gleich den Wochenende­inkauf. Pirkl:„D er durchschni­ttliche Waren wert beträgt 90 Euro .“Ähnlich service orientiert sind die A 1- Paket stationen in 15 Bahnhöfen. Hierhin können die Kunden ihre Pakete liefern lassen und beim Nachhauseg­ehen abholen. Die Stationen sind nicht nur für einen Zusteller vorgesehen, sondern für mehrere.

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BILD: SN/ÖBB/ENF ARCHITEKTE­N/NIGHTNURSE IMAGES Der Nordwestba­hnhof in Wien ist das nächste städtebaul­iche Riesenproj­ekt nach dem Hauptbahnh­of.
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BILD: SN/ÖBB - ANDREAS SCHEIBLECK­ER Interspar-Abholbox am Bahnhof Tullnerfel­d.

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