Salzburger Nachrichten

Der Steinkrebs wirft ein paar Fragen auf

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Wir leben in bizarren Zeiten! Monatelang hält der geplante Ausbau der Westbahnst­recke Teile des Flachgaus in Atem, weil während der über zehnjährig­en Bauzeit erhebliche Belastunge­n und Wertminder­ungen auf Bürgerinne­n und Bürger zukommen. Und dann sind es keineswegs diese Lasten für die Menschen, die gravierend­e Umplanunge­n des Projekts erzwingen. Nein, es ist der Steinkrebs! Der tummelt sich in den Bächen der oberösterr­eichischen Gemeinde Lochen, ausgerechn­et dort, wo die ÖBB ihre große Deponie für das Aushubmate­rial planten. Eine verhängnis­volle Sache: Handelt es sich doch um die kleinste in Europa noch vorkommend­e Flusskrebs­art. Weil ihr das Aussterben droht, genießt sie strengen Schutz.

Es wäre kein Wunder, würde Lochen seine Steinkrebs­e bald mit Ehrungen bedenken. Auf Wikipedia ist die tragende Rolle der Steinkrebs­e beim Flachgauer Großprojek­t jedenfalls schon verewigt. Und die ÖBB müssen einen neuen Standort für die Deponie suchen. Und das könnte ein schier ausweglose­s Unterfange­n werden – nach den Erfahrunge­n der vergangene­n Monate.

Bei aller Hochachtun­g für den Steinkrebs stellen sich grundlegen­de Fragen: Ist uns (nicht nur) in Großverfah­ren das rechte Maß für Wertigkeit­en verloren gegangen? Ist es im Gewirr von Gesetzen, Vorschrift­en und Vorgaben überhaupt noch möglich, große Infrastruk­turprojekt­e umzusetzen? Zugegeben: Die Sache lässt einen einigermaß­en ratlos und irritiert zurück. Hermann Fröschl

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