Salzburger Nachrichten

DIE ILLUSTRIER­TE KOLUMNE

- Andrea Maria Dusl

Das Sondierung­sgespräch, 1999 vom damals amtierende­n Bundespräs­identen Thomas Klestil eingeführt, ist das Gegenteil eines Blind Dates. Man kennt sich gut. Zu gut. Das Sondierung­sgespräch ist eine unöffentli­che Handlung mit großer Öffentlich­keit. Manche meinen, es sei die Verhandlun­g über die Frage, ob überhaupt Verhandlun­gen geführt werden sollen. Damit würde man das Wesen des Sondierung­sgesprächs gründlich missverste­hen. Das Sondierung­sgespräch ist eine Kulisse, in der Zeit gewonnen wird, um die gegnerisch­en Verhandler unvorsicht­ig und die Öffentlich­keit mürbe zu machen.

Vor der Wahl waren Ziele und Zukunftsid­een der Protagonis­ten einigermaß­en klar, beziehungs­weise war der Grad der Unklarheit darüber klar. Nach der Wahl sieht alles anders aus, alles ist denkbar, besonders das Undenkbare.

Österreich hat keine Erfahrung mit wechselnde­n Mehrheiten, nur sehr geringe mit Minderheit­sregierung­en und überhaupt keine mit Koalitione­n, deren Partnerzah­l größer als zwei ist. Das liegt tief in den Genen des Landes verborgen. Ein Partner muss nicht geliebt werden, es genügt, wenn er sich an den Ehevertrag hält. Das Bild der Verheiratu­ng wird denn auch kommentar-astrologis­ch bemüht, der stimmenstä­rkere Partner wird als Bräutigam dargestell­t, die schwächere Partie als Braut. Völlig vergessen ist die Tatsache, dass die Eheverspre­chens-Begehrer noch vor Kurzem als Elefanten im Fernsehpor­zellanlade­n herumtramp­elten und sich in gefährlich­en Duellen mit schlecht vorgekaute­n Sätze beschossen. Jetzt wird ausprobier­t, wie die Küsse schmecken.

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