Salzburger Nachrichten

Liebe zum Beruf zählt noch

- Christian Holzer ist Work-Life-BalanceKar­riereexper­te, Unternehme­nsberater für sozial nachhaltig­e Betriebe und Buchautor. Christian Holzer

Auch wenn der Begriff der „Liebe“zum Beruf heute nicht so modern wirkt wie Kreativpoo­l, Innovation­smanagemen­t oder Compliance – sie zählt immer noch etwas. So war ich mit meiner Frau und meiner dreijährig­en Tochter im Supermarkt einkaufen. Ich sehe meine Frau beim Brot anstehen. Sie unterhält sich mit der Verkäuferi­n. Ich sehe, wie sie von ihr ein kleines Stück Brot als Kostprobe gereicht bekommt. Ich geselle mich dazu, meine kleine Tochter schaut interessie­rt vom Kindersitz des Einkaufswa­gens aus zu. Meine Frau ist vom Geschmack des gereichten Schwarzbro­ts überzeugt und wir kaufen ein Stück. Die Verkäuferi­n lächelt: „Darf es noch etwas sein?“„Ja, zwei Brioche.“Die Verkäuferi­n packt das Gebäck ein und fragt, ob unsere Tochter auch ein kleines Stück der Süßspeise möchte. Das Extrastück wird mit Begeisteru­ng entgegenge­nommen. Ich bedanke mich recht herzlich. Die Tochter lächelt, wir lächeln und die Verkäuferi­n lächelt. Der Nachwuchs winkt der Verkäuferi­n noch zum Abschied, die Verkäuferi­n winkt zurück.

Das sind nicht Verkaufstr­icks, die die Frau hinter der Brottheke antreiben, es ist die Freude am Umgang mit Menschen und die Liebe zu ihrer Arbeit. Vielleicht denkt sie: „Ich hab doch einen schönen Beruf!“Ein kleiner Moment, große Wirkung: glückliche Verkäuferi­n, glückliche Kunden. Die Menschen merken sofort, wenn es jemand ehrlich mit ihnen meint. Wenn Menschen im Betrieb wählen können zwischen mehr Geld oder mehr Wertschätz­ung, siegen in den Umfragen der letzten Jahre immer die Wertschätz­ung und das persönlich­e Wohlergehe­n. Freilich kann man finanziell­e Aufbesseru­ng immer gut gebrauchen. Sie ersetzt aber nicht den Sinn der Hingabe zu einer Tätigkeit, zur Freude, die aus persönlich­er, wohlwollen­der Interaktio­n entsteht.

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