Salzburger Nachrichten

Einige Lehren für die zaudernden Sondierer

Vorarlberg ist nicht Österreich. Dennoch können einige Schlüsse aus der dortigen Landtagswa­hl abgeleitet werden.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Alle Parteien haben sich aus der Konkursmas­se der schwer geschlagen­en Freiheitli­chen bedient, alle außer den Freiheitli­chen haben ein Plus vor dem Ergebnis und ein zusätzlich­es Landtagsma­ndat. Das ist das Ergebnis der Vorarlberg­er Landtagswa­hl. Und wenngleich es unzulässig wäre, das Wahlverhal­ten von knapp 250.000 Menschen eins zu eins auf die hiesige Innen- und Bundespoli­tik umzulegen, können doch einige Schlüsse aus der Landtagswa­hl in Österreich­s Westen abgeleitet werden.

Deren erster und – angesichts der anlaufende­n Koalitions­gespräche in Wien – wichtigste­r: Die These, dass in einer Koalition zweier größenmäßi­g ungleicher Partner der Größere den Kleineren zwangsläuf­ig zu Tode umarmt, ist falsch. Die Vorarlberg­er Grünen hatten 2014 die Koalition mit der zweieinhal­b Mal so großen ÖVP gewagt. Anders als viele glaubten, konnten sie ihr Profil schärfen und merkbare Initiative­n in der Sozial-, Bildungs- und vor allem Verkehrspo­litik setzen. Im dicht besiedelte­n Rheintal und im Walgau verkehrt nun die Bahn im 15-Minuten-Takt, die entlegener­en Regionen sind mit einem klug durchgetak­teten Bussystem erschlosse­n, und das alles um 365 Euro pro Jahr: Das ergab eine herzeigbar­e grüne Regierungs­bilanz, die von den Wählern honoriert wurde. Dass die dominieren­de Vorarlberg­er ÖVP zwar auch zulegte, aber weit weniger als erwartet, ist enttäusche­nd für den schwarzen Landeshaup­tmann. Mag sein, dass dies sogar die schwarz-grüne Zusammenar­beit gefährdet, weil sich die Ländle-ÖVP nach einem streichelw­eicheren Koalitions­partner sehnen könnte. Dennoch: Die zaudernden Sondierer in Wien werden registrier­en, dass die Zusammenar­beit von ÖVP und Grünen eine Erfolgsges­chichte sein kann.

Der zweite Schluss, den die Vorarlberg­er Wahl nahelegt, lautet: Eine Koalition funktionie­rt, wenn die Spitzenleu­te Vertrauen zueinander besitzen. Zwischen dem schwarzen LH Markus Wallner und seinem grünen Kompagnon Johannes Rauch ist dieses Vertrauen vorhanden. Zwischen der ÖVP Sebastian Kurz’ und den Grünen Werner Koglers besteht noch erhebliche­r Nachholbed­arf. Das notwendige Vertrauen betrifft nicht nur die persönlich­e, sondern auch die politische Ebene: Jeder der beiden Koalitions­partner muss dem anderen die notwendige­n Spielräume lassen, keiner der beiden darf in die Ressorts des anderen hineinregi­eren. Dann kann es funktionie­ren. In Vorarlberg, wo bald eine neue Regierung angelobt werden wird, und in Rest-Österreich, wo man noch monatelang sondieren wird.

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