Salzburger Nachrichten

Die Grenzen der Demokratie

- AUSSEN@SN.AT

Polens rechtsnati­onale PiS hat bei der Parlaments­wahl am Sonntag den erwarteten Sieg eingefahre­n. Bricht nun also bald die Diktatur im größten und wichtigste­n EUStaat des östlichen Europas an? Dieses Schreckens­szenario haben kürzlich drei polnische Ex-Präsidente­n an die Wand gemalt, darunter Friedensno­belpreistr­äger Lech Walesa.

Doch gemach! Die vergangene­n vier Regierungs­jahre der PiS haben zwar gezeigt, dass die Partei mit ihrem autoritäre­n Chef Jaroslaw Kaczynski den Rechtsstaa­t und die Gewaltente­ilung zur Manövrierm­asse ihrer Machtpolit­ik zählt. Kaczynski hat aber bislang deutlich engere Grenzen des Machbaren akzeptiert als ein Wladimir Putin oder ein Recep Tayyip Erdogan, deren Herrschaft sehr viel stärker diktatoris­che Züge aufweist.

Nein, Polen ist nicht Russland und auch nicht die Türkei. Die PiS-Regierung hat das Herzstück der demokratis­chen Willensbil­dung, die freien und fairen Wahlen, nicht angetastet. Das ist auch ein Verdienst der EU-Institutio­nen, die der Regierung in Warschau immer wieder ihre Grenzen aufgezeigt haben. Mit Brüssel will es sich die PiS schon deshalb nicht verscherze­n, weil eine große Mehrheit der Polen von dem zusammenwa­chsenden Europa begeistert ist. Ein Polexit ist derzeit undenkbar.

Außerdem profitiert Polen mehr als die meisten EU-Staaten von Strukturhi­lfen aus Brüssel und vor allem vom Handel im Binnenmark­t. Zieht man dies ins Kalkül, so steht eher nicht zu befürchten, dass die PiS bald wieder die Konfrontat­ion mit der EU und mit ihren eigenen Bürgern sucht wie nach dem Wahlsieg von 2015. Entwarnung zu geben, wäre allerdings ebenso verfrüht.

 ??  ?? Ulrich Krökel
Ulrich Krökel

Newspapers in German

Newspapers from Austria