Ein Auto und ein Haus brannten
Ihor Walerijowytsch Kolomojskyj ist einer der reichsten Ukrainer. Sein Vermögen wird auf 1,2 Milliarden Dollar geschätzt. Der 56-Jährige, der neben der ukrainischen auch die israelische und zyprische Staatsbürgerschaft besitzt und in Tel Aviv lebt, gilt als der letzte Oligarch der Ukraine. Mit direktem Zugriff auf den neuen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, wie Kritiker behaupten. Kolomojskyj besitzt nämlich die Mehrheit am Fernsehkanal 1+1, bei dem Wolodymyr Selenskyj, damals noch als Schauspieler und Präsidenten-Darsteller, unter Vertrag stand.
Vergangene Woche rückte der Milliardär wieder in den Blickpunkt des Interesses. Vor dem Kiewer Verwaltungsgericht wird eine Klage Kolomojskyjs auf Rückgabe seiner Aktien an der 2016 verstaatlichten PrivatBank behandelt. Er behauptet, damals habe man ihn dazu gezwungen, die Bank zu einem Spottpreis abzugeben. Er fordert zwei Milliarden Dollar Schadenersatz. „Der Prozess des Jahres“, titelt das Wirtschaftsportal biz.nv.ua. „Bekommt Kolomojskyj Recht, wäre das eine regionale Apokalypse“, sagt der Politologe Ihor Rejterowitsch. Eine Apokalypse auch für Selenskyjs Antikorruptionspolitik.
Zurzeit fallen viele Entscheidungen zugunsten Kolomojskyjs. So erreichte er nach der Strompreiserhöhung vom Juli per Gerichtsbeschluss günstige „Sondertarife“für seine Stahlfabriken. Und Ende September trat Oleksandr Danyljuk, der Sekretär des Sicherheitsrats, zurück. Danyljuk war als Finanzminister maßgeblich an der Übernahme der PrivatBank beteiligt, galt als einer der erfahrensten Reformer in Selenskyjs Team, hatte aber häufig Streit mit dessen Bürochef Andrej Bogdan. Der war einst Kolomojskyjs Anwalt. „Unsere Werte sind völlig unterschiedlich“, sagte Danyljuk.
Auch Walerija Hontarewa hat Ärger bekommen. Sie leitete 2016 als Nationalbankpräsidentin die Verstaatlichung der PrivatBank und gilt als Erzfeindin Kolomojskyjs. Im August lud die Kiewer Staatsanwaltschaft die jetzt in London lebende Hontarewa wegen angeblichen Amtsmissbrauchs vor. Wenige Wochen später fuhr sie ein Auto an, der Pkw ihrer Schwiegertochter wurde angezündet, ihr Haus bei Kiew brannte nieder. Hontarewa redet von „realisierten Drohungen“aus dem Umkreis Kolomojskyjs.
Nicht nur Danyljuk befürchtet, die Rückgabe der größten Kundenbank des Landes an Kolomojskyj könne den Internationalen Währungsfonds (IWF) und ausländische Investoren verprellen. „Die Nationalisierung der Bank war legal“, sagt Politologe Rejterowitsch, „ihre Rücknahme wäre ein Signal, dass bei uns die Interessen eines Oligarchen weiter mehr als das Gesetz wiegen“. Und Millionen Ukrainer, die Guthaben bei der PrivatBank hätten, könnten ihr Geld abheben, um zu verhindern, dass Kolomojskyj dieses selbst eilig herausziehe.
Ein halbes Jahr nach Selenskyjs Machtantritt steht der korruptionsumwitterte Kolomojskyj als großer schwarzer Schatten hinter ihm. Der Wirtschaftsmagnat kontrolliert nach verschiedenen Schätzungen zwischen 20 und 40 Abgeordnete im neuen Parlament, der neue Verteidigungsminister Andrij Sahorodnjuk ist der Sohn eines langjährigen Geschäftspartners, Kabinettsminister Dmitri Dubilet war früher IT-Direktor der PrivatBank. Auch Innenminister Arsen Awakow gilt als Freund des Milliardärs.
Kolomojskyj gilt nicht nur beim IWF als Unperson. Das FBI ermittelt gegen ihn. Die PrivatBank selbst hat ihren Ex-Eigner in den USA wegen Geldwäsche einer für ukrainische Verhältnisse wirklich apokalyptischen Summe von 470 Milliarden Dollar verklagt. Und Tel Aviv soll er wegen einer gegen ihn in der Ukraine laufenden Strafuntersuchung als Wohnort gewählt haben.