Lieder mit einem Ziel: Das Hirn der Gegenwart
Christoph & Lollo legen in der ARGEkultur mit Selbstironie den Finger in die Wunden der Zeit.
SALZBURG. Ein mittelmäßiges Lied zum Anfang, kündigt Lollo an. Das folgt einer simplen Dramaturgie: Bei einem mittelmäßigen Lied renne das Publikum nicht gleich weg, während für Künstler danach genug Spielraum nach oben bestehe. Christoph & Lollo haben in ihrer Kunst der Liedermacherei seit 20 Jahren wenig theatralischen Spielraum: zwei Männer, einer, Christoph, der nur singt, ein zweiter, Lollo, der manchmal die Gitarre tauscht und ein paar Mal am Konzertflügel sitzt, an diesem Abend in der ARGEkultur.
Ihr eigentlicher Spielraum sind Irrsinnigkeiten der Gegenwart zwischen Rohkostwahn und Korruption, Kochboom und vermeintlicher Gemütlichkeit im Schrebergarten. In „Hipster“geht’s um das vermeintliche Ende des Klassenkampfs, weil Selbstausbeutung bei Matcha-Tee und vor dem MacBook trendig ist und die Aufhebung der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit fast schon als Tugend gilt – auch wenn sich die Miete fast nicht ausgeht. Man begegnet einem wütenden Emoji, das bei jeder depperten Nebensächlichkeit von der Erregungsgesellschaft ausgepackt wird. Sie registrierten Grausliches der Freizeitgesellschaft beim Besuch „In der Therme“. Sie kritisieren Verblödungsmedien, die massenhaft Geld von der Politik kassieren und die wahre „Bettelmafia“sind. In „Parteihymnen“wird etwa der Untergang der Sozialdemokratie erkundet (kurz gesagt: Rotwein, Penthäuser und wegen früher Pensionierung der Funktionäre einfach keine Zeit zur Revolution). Aber auch die Frage nach dem Wesen der ÖVP wird beantwortet: „Wer nimmt den Armen gerne was weg und tut den Reichen niemals weh? Die ÖVP.“Außerdem klären Christoph & Lollo auf über die Gefahr giftiger Pflanzen in Kinderzimmern: „Ritterstern und Oleander reißen Familien auseinander.“Darüber müsse man ein Lied machen, auch wenn das Thema nicht lustig ist, singen sie: Aber man könne „dem Zuhörer dann einen Erkenntnisgewinn bringen“.
Das könnte alles furchtbar belehrend klingen und mieselsüchtig verzweifelt sein. Dazu neigen die beiden aber nicht. Es rennt der Schmäh. Manches ist makaber, grauslich und unfassbar. Alles ist – leider – schmerzhaft real.