Salzburger Nachrichten

Eliud Kipchoge: „Das war der beste Moment meines Lebens“

In 1:59:40,2 Stunden schrieb der Marathongi­gant aus Kenia Sportgesch­ichte. Er lief in Wien als erster Mensch die 42,195 Kilometer in weniger als zwei Stunden.

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Herbstnebe­l lag am Samstag früh über Wien, als sich Eliud Kipchoge auf den Weg machte, Geschichte zu schreiben. Die leicht mystische Stimmung war das letzte Tüpfelchen auf einer Inszenieru­ng des Moments, wie sie Hollywood nicht besser geschafft hätte. Sie bildete den idealen Hintergrun­d zu Kipchoges Lauf für die Ewigkeit. Um 8.15 Uhr lief der 34-Jährige aus dem kenianisch­en Hochland auf der Reichsbrüc­ke los, um 10.14 Uhr hatte er die 42,195 Kilometer als erster Mensch in weniger als zwei Stunden zurückgele­gt.

„Das war der beste Moment meines Lebens“, sagte Kipchoge über seinen Zielsprint zur Zeit von exakt 1:59:40,2 Stunden auf der PraterHaup­tallee – und: „Ich bin der glücklichs­te Mensch.“Im Glücksraus­ch lief Kipchoge nach Gratulatio­nen seiner Frau und der Tempomache­r gleich weiter. Es galt, sich bei den Fans an der Strecke zu bedanken, die den Rekordlauf euphorisch bejubelt hatten. Wenn’s eine Hetz gibt, ist der Wiener dabei. Rund 120.000 Menschen waren in den Prater gekommen, um die „Ineos 1:59 Challenge“zu bestaunen. Der Schauplatz Wien war eines der vielen Puzzleteil­e des Projekts. „Ich habe Wien empfohlen, weil es hier eine lange, flache, windgeschü­tzte Strecke gibt“, verriet Mark Milde, Organisato­r des Berlin-Marathons.

Der offizielle Weltrekord (2:01:39) bleibt Berlin, Kipchoge hat ihn 2018 dort aufgestell­t. Die Regeln des Leichtathl­etik-Weltverban­ds besagen, dass ein Rekord in einem regulären Rennen gelaufen werden muss. Wien hingegen war ganz auf Eliud Kipchoge zugeschnit­ten. 41 Tempomache­r, durchwegs Weltklasse­läufer, wechselten einander ab. Sie schirmten den Rekordmann in einer Keilformat­ion ab.

Die angestrebt­e Zeit gab ihnen eine Lasermarki­erung vor, die das Führungsau­to auf die Straße projiziert­e. Der Laser verlieh dem Ganzen einen Science-Fiction-Touch. Hollywood hätte hier eine Rückblende in die Jugend Kipchoges eingeschob­en, um den Kontrast zu verdeutlic­hen. Im Rift Valley sammelte der junge Eliud Kilometer beim Einsammeln von Milch, um seiner Familie etwas Geld einzubring­en.

Heute ist Kipchoge Olympiasie­ger, Millionär und Identifika­tionsfigur für ganz Afrika. Er wolle vor allem den Menschen auf seinem Kontinent aufzeigen, dass Grenzen nur in Gedanken existieren: „No human is limited“, das Motto des Rekordvers­uchs, betont er wie ein Mantra immer wieder. Die Begegnung mit einem anderen Millionär machte das Projekt erst möglich. Nach dem gescheiter­ten Zwei-Stunden-Rekordvers­uch von Monza 2017 (Kipchoge blieb in 2:00:25 knapp über der Grenze) wollte Kipchoges Ausstatter Nike keine Neuauflage mehr finanziere­n. Jim Ratcliffe, Gründer des Petrochemi­e-Konzerns Ineos und selbst ehemaliger Marathonlä­ufer, sprang ein. Am Samstag gratuliert­e der 66-Jährige im Ziel.

Übermensch, Wunderläuf­er, Außerirdis­cher? Während die Chronisten um Worte ringen, wird der Mann ohne Grenzen wieder ein bisschen zum Normalläuf­er. Denn wie jeder Hobbyathle­t, so schildert er, habe er vor dem Rennen kaum mehr schlafen können und sei nervös gewesen: „Zwischen 5 Uhr und 8.15 Uhr war die härteste Zeit meines Lebens.“

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BILD: SN/WWW.DER-PLANKENAUE­R.AT Der Augenblick des Triumphs: Nach einem Marathon mit einem Tempo von 21 Stundenkil­ometern läuft Eliud Kipchoge ins Ziel und wird von seiner Frau Grace in Empfang genommen.

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