Europa muss den Kurden helfen
Ein hoffnungslos überforderter US-Präsident ebnet den Weg für Tod und Zerstörung. Donald Trump weiß nicht, was er tut.
Vor rund einem Jahr war Donald Trump, Präsident der USA, voll des Lobes. „Die Kurden sind ein großartiges Volk. Sie kämpften und starben mit uns“, sagte er. Und fügte hinzu: „Das werde ich nicht vergessen.“
Rund 11.000 Kurden haben im – erfolgreichen – Kampf gegen den „Islamischen Staat“ihr Leben verloren, und Trump hat es längst vergessen. Er steckt zu Hause in Problemen. Ein Verfahren zu seiner Amtsenthebung droht. Er muss ablenken. Da kommen das ferne Syrien und die „lächerlich endlosen Kriege“, die er, Trump, doch so oft versprach zu beenden, gerade recht. Was zählen da Zivilisten, Frauen und Kinder, alte Waffenbrüderschaften, Bündnistreue?
Und so machte der US-Präsident – ob unwissentlich oder nicht, darüber streiten die Trumpologen – mit seinem Truppenabzug einem anderen Präsidenten den Weg frei, der ein ebenso aufgeblasenes Ego besitzt und ebenfalls in innenpolitischen Schwierigkeiten steckt. Recep Tayyip Erdoğans Stern in der Türkei sinkt. Ehemalige Weggefährten sind dabei, eine eigene Partei zu gründen. Die Wirtschaft stottert. Da hilft ein Ruf zu den Fahnen, Kritik zum Schweigen zu bringen – ein Angriffskrieg gegen die kurdischen Erzfeinde in Nordsyrien war die Folge.
Einige Tage nach Beginn der Offensive hat die Armee einige kleinere Gebietsgewinne errungen. Erdoğans arabische Hilfstruppen aus fanatischen Islamisten machen derweil mit Gräueltaten von sich reden. Donald Trump wiederum scheint völlig überfordert. Er hat – in dieser Reihenfolge – der Türkei die wirtschaftliche Vernichtung angedroht, seine Vermittlung angeboten und, letzte Wendung, sein eigenes Verhalten als „very smart“bezeichnet.
Die verzweifelten Kurden riefen inzwischen den syrischen Diktator Baschar al-Assad und dessen russischen Verbündeten zu Hilfe. Syrische Einheiten rücken soeben nach Norden vor.
Und plötzlich rückt die EU ins Licht. Europa scheint als Hort der Vernunft, und es hätte auch ausreichend Einfluss auf die türkische Führung. Erdoğan ist auf das finanzielle Wohlwollen Brüssels angewiesen, da mag er noch so sehr mit Flüchtlingswellen drohen. Auch wenn der Brexit, ein Wahnsinn der anderen Art, gerade die Tagesordnung bestimmt: Die Staats- und Regierungschefs der EU sollten bis zu ihrem Gipfel Ende der Woche so viel Druck wie nur möglich auf Ankara aufbauen. Nicht zuletzt aus Eigeninteresse: Weder Erdoğan noch die USA oder die Europäer haben den IS niedergerungen. Es waren die Kurden. Europa braucht auch weiterhin ihre Hilfe.