Salzburger Nachrichten

Die SPÖ steht am Scheideweg

Die krisengesc­hüttelte SPÖ würde sich gern europäisch­e Erfolgsmod­elle zum Vorbild nehmen. Die Frage ist: Welche? Es droht ein Richtungss­treit zwischen rechts und links.

- INGE BALDINGER

WIEN. Portugal oder Dänemark? Geht es nach dem linken SPÖ-Flügel, soll sich die Partei die portugiesi­schen Sozialiste­n zum Vorbild nehmen. Geht es nach dem rechten Flügel, soll die SPÖ von der dänischen Schwesterp­artei lernen. Die parteiinte­rnen Wortmeldun­gen illustrier­en gut, wie sehr die SPÖ um eine Richtung ringt.

Tatsache ist: Während die Sozialdemo­kratie im Großteil Europas in einer tiefen Krise steckt, ging in Portugal erst vor gut einer Woche die Sozialisti­sche Partei (PS) unter Premiermin­ister António Costa als strahlende Siegerin aus der Wahl hervor. Und in Dänemark blieben im Frühjahr Mette Frederikse­ns Socialdemo­kraterne stärkste Kraft. Seit Juni ist die Parteichef­in nun Ministerpr­äsidentin. Ihre Minderheit­sregierung kann auf die Unterstütz­ung kleinerer Linksparte­ien bauen.

Ein Erfolg im Norden also und einer im Süden. Das war’s dann aber auch schon so ziemlich mit den Gemeinsamk­eiten – und vor allem mit der Vergleichb­arkeit. Der relative Erfolg der Socialdemo­kraterne in Dänemark (prozentuel­l verlor die Partei sogar leicht) war nicht etwa einer neuen sozialdemo­kratischen Programmat­ik in den großen Fragen wie Klimaschut­z oder Globalisie­rung zu verdanken, sondern dem Schwenk Frederikse­ns hin zu einer restriktiv­en Migrations­politik. Mit dem erklärten Ziel, den gut ausgebaute­n dänischen Sozialstaa­t und seine Beitragsza­hler zu schonen. Das kam bei der Wählerscha­ft gut an, war Mitgrund für den Absturz der Rechtspopu­listen – und wurde von den sozialdemo­kratischen Parteien anderer europäisch­er Länder mit großem Interesse verfolgt, in Österreich insbesonde­re vom rechten SPÖ-Flügel.

Völlig anders die Ausgangsla­ge in Portugal. Weit entfernt von einem Wohlfahrts­staat à la Dänemark (oder Österreich) stand das Land – das bisher ein Auswanderu­ngs- und kein Einwanderu­ngsproblem hatte – vor wenigen Jahren de facto vor dem Ruin und unter Kuratel des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), der Europäisch­en Zentralban­k sowie der EU-Kommission. 2015 landeten António Costas Sozialiste­n mit dem Verspreche­n, den harten Sparkurs zu lockern, knapp auf Platz zwei hinter den Konservati­ven. Jene scheiterte­n mit der Regierungs­bildung. Der als charismati­sch geltende Costa wagte ein Bündnis mit zwei kleinen und sehr linken Parteien, wurde Chef einer Minderheit­sregierung und konnte – auch dank damals anspringen­der Wirtschaft, zu der sich dann noch ein Tourismusb­oom gesellte – sowohl seine Wahlverspr­echen als auch die EU- und IWF-Vorgaben erfüllen. Zu den jüngst von der Wählerscha­ft honorierte­n Wohltaten der ersten Regierung Costa zählen u. a. eine Erhöhung des Mindestloh­ns und der Pensionen sowie Steuerentl­astungen für Wenigverdi­ener.

Die SPÖ hat somit die Wahl zwischen einem Rechtskurs à la Hans Peter Doskozil und einem Linkskurs à la Julia Herr: Beides gleichzeit­ig wird nicht zu haben sein; entscheide­t sich die SPÖ für eines von beiden, droht der Richtungsk­ampf. Dieses Dilemma mag einer der Gründe dafür sein, warum die SPÖ ihre notwendige Reform eher zauderlich und bisher ohne jegliche inhaltlich­e Festlegung­en angeht.

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BILD: SN/APA/JÄGER Will, dass die SPÖ nach rechts rückt, zumindest in der Migrations­frage: Burgenland­s Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil.
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BILD: SN/APA/GINDL Will, dass die SPÖ nach links rückt: SJ-Chefin Julia Herr.

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