Das Personal der Grünen
Dank starker Verankerung und Regierungsbeteiligungen vor allem im Westen Österreichs haben die Grünen ein Reservoir an erfahrenen Leuten. 2003, als sich ÖVP und Grüne zuletzt so nahe kamen, war das anders.
WIEN. Weiblich, jung und sehr unterschiedlicher Herkunft: Mehr als die Hälfte der Mitglieder im neuen grünen Klub sind Frauen (15 von 26), mehr als ein Viertel hat ausländische Wurzeln und die Hälfte aller Mandatare ist unter 40 Jahre alt, zwei davon sind jünger als 30. Von einem „Klub der Zukunft“sprach die Salzburgerin Astrid Rössler angesichts dieser Zusammensetzung am Montag an der Seite von Parteichef Werner Kogler. Da kam der neue Parlamentsklub zum ersten Mal zusammen.
Dabei dürfte vor allem Rössler selbst eine gewichtige Rolle in der Zukunft der wiedererstarkten Grünen spielen: Unter den neuen Mandataren ist sie die Einzige, die Regierungserfahrung auf Landesebene gesammelt hat. Von 2013 bis 2018 war sie Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreterin und unter anderem für Umweltschutz und Raumordnung zuständig. Zwei Mal hat sie mit der ÖVP einen Regierungspakt ausverhandelt, mit dem beide Parteien offensichtlich gut leben konnten: 2013 und 2018 – wobei sie selbst wegen Verlusten bei der Landtagswahl damals den Hut nahm und der Landesregierung seither nicht mehr angehört.
Nun ist Rössler eine der großen Personalreserven der Bundesgrünen, wenn es um höhere Weihen geht. Selbst als mögliche Vizekanzlerin in einer türkis-grünen Regierung wird die 60-Jährige bereits gehandelt. Derzeit ist das aber noch nicht einmal Zukunftsmusik – bis feststeht, ob die Grünen von Werner Kogler und die Türkisen von Wahlsieger Sebastian Kurz überhaupt zueinanderfinden, dürften noch viele Wochen, vielleicht sogar Monate ins Land ziehen.
Unabhängig vom Ergebnis der Gespräche lassen sich dennoch gravierende Unterschiede zu den schwarz-grünen Verhandlungen rund um die Jahreswende 2002/2003 ausmachen: Keine Vorstandsetage kommt heute mehr am Thema Klimaschutz vorbei. Und heute gibt es im Gegensatz zu damals – siehe Rössler – ein Reservoir an Leuten, die auf Regierungs- und Verhandlungserfahrung verweisen können. In Salzburg, in Tirol und in Vorarlberg sitzen die Grünen als Regierungspartner der ÖVP fest im Sattel, in Wien koalieren sie seit 2010 mit der SPÖ.
Fast schon ein Veteran von Schwarz-Grün ist Rudi Anschober. 2003 kam er mit den oberösterreichischen Schwarzen zusammen. Zwar gibt es in Oberösterreich mittlerweile ein schwarz-blaues Arbeitsübereinkommen, doch als Nach-wie-vor-Landesrat – aufgrund der Proporzregierung aber ohne großen Einfluss – macht Anschober immer noch von sich reden. Das zeigt seine Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“, die sich für Asylbewerber in Lehre starkmacht und auch von wichtigen Wirtschaftsbossen unterstützt wird. Anschober zählt damit ebenso zur grünen Personalreserve wie der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi und die Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe. Oder der grüne Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch, der gerade erfolgreich eine Landtagswahl geschlagen hat. Rauch ist zwar vorerst mit Verhandlungen auf Landesebene beschäftigt – aller Voraussicht nach wird es eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition geben. Danach ist es aber nicht ausgeschlossen, dass Rauch im Fall des Falles nach Wien wechseln könnte, wie man hört.
Zu all den Regierungsbeteiligungen kommt ein grünes Netzwerk außerhalb der Politik hinzu: Grüne sitzen in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in vielen NGOs. Auch da finden sich Leute, die als ministrabel gelten – etwa der frühere grüne Bundesparteisekretär Lothar Lockl, der heute unter anderem Bundespräsident Alexander Van der Bellen extern berät. Eine, die sich beim Thema Klimaschutz auch international einen Namen gemacht hat und unter anderem mit Arnold Schwarzenegger zusammenarbeitet, ist die frühere GrünPolitikerin Monika Langthaler. Die Unternehmerin schließt zwar eine Rückkehr in die aktive Politik aus, betont im SN-Gespräch aber, dass eine türkis-grüne Regierung eine „große Chance“wäre. „Beim Klimaschutz hat Österreich nicht die Zeit, weitere fünf Jahre zu warten“, sagt sie. Es brauche eine starke Verankerung des Themas in „mehreren Ministerien“, betont sie. Wie sie die Chancen für Türkis-Grün sieht? „Mit gutem Willen ist das machbar“, sagt Langthaler.
Und Kogler selbst? Er bringt zwar keine Regierungserfahrung mit, aber langjährige Erfahrung im Nationalrat. Und er hat die Grünen in den vergangenen zwei Jahren durch ihre schwerste Krise geführt. Möglich, dass er im Fall einer Regierungsbeteiligung als Klubobmann die Fäden zieht. Wie dem auch sei: Kogler hat aufgrund seines Durchhaltevermögens und des Nimbus als Retter der Grünen offenbar mehr Freiheiten bei den Verhandlungen als 2003 der damalige grüne Verhandlungsführer Alexander Van der Bellen. Der musste sich sogar den Eintritt in Sondierungsgespräche absegnen lassen. Aber wie gesagt: Die Verhandlungen stehen erst am Anfang.
„Türkis-Grün: Machbar mit gutem Willen.“Monika Langthaler, Ex-Grün-Politikerin