Sasa Stanisic gewinnt Buchpreis
In seiner Dankesrede kritisiert er Literaturnobelpreisträger Peter Handke.
Als sich Sasa Stanisic erhebt, fällt es ihm schwer zu sprechen. Vor wenigen Minuten hat er erfahren, dass er für seinen Roman „Herkunft“den Deutschen Buchpreis 2019 erhält. Viel Ehre, garantierte Verkaufzahlen und 25.000 Euro Preisgeld sind damit verbunden. Aber nicht vor Rührung versagt seine Stimme: Der 41-Jährige hat eine Schilddrüsenentzündung und ist außerdem wütend. Eine andere Ehrung habe ihm die Freude über seine eigene Auszeichnung „vermiest“.
Stanisic wurde 1978 im bosnischen Višegrad geboren, mit 14 Jahren floh er vor dem Krieg in Jugoslawien nach Deutschland. Peter Handke, der heuer mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, hatte in den 1990er Jahren für Serbien Partei ergriffen. Stanisic bittet Zuhörer erst um Nachsicht, dass er seine Redezeit nutze, „um mich zu echauffieren“– dann legt er los.
„Ich hatte das Glück, dem zu entkommen, was Peter Handke in seinen Texten nicht beschreibt“, sagte der in Hamburg lebende Autor. „Dass ich hier heute vor Ihnen stehen darf, habe ich einer Wirklichkeit zu verdanken, die sich dieser Mensch nicht angeeignet hat.“Er könne nicht nachvollziehen, „dass man sich die Wirklichkeit, mit der man behauptet, Gerechtigkeit für jemanden zu suchen, so zurechtlegt, dass dort nur Lüge besteht.“
Er nehme den Buchpreis entgegen als Vertreter einer anderen Literatur, „einer Literatur, die nicht zynisch ist, nicht verlogen und die uns Leser nicht für dumm verkaufen will, indem sie das Poetische in Lüge verkleidet“.
In „Herkunft“erzählt der 41-Jährige von seiner Großmutter, die langsam das Gedächtnis verliert, über die Flucht der Familie nach Deutschland und behandelt dabei die Frage, welche Rolle Herkunft überhaupt spielt. Seine Antwort: keine. „Herkunft ist Zufall“, sagt Stanisic in einem bei der Preisverleihung gezeigten Video-Einspieler.
„Ich verstehe das Beharren auf dem Prinzip der Nation nicht. Ich verstehe nicht, dass Herkunft Eigenschaften mit sich bringen soll“, heißt es im Roman. Für ihn gilt: „Heimat ist das, worüber ich gerade schreibe.“Müsste die Familie heute fliehen, erzählt Stanisic, würde die Reise an einem ungarischen Stacheldraht enden.
„Sasa Stanisic ist ein so guter Erzähler, dass er sogar dem Erzählen misstraut“, begründet die Jury ihre Wahl. „Unter jedem Satz wartet die unverfügbare Herkunft, die gleichzeitig der Antrieb des Erzählens ist.“Der Autor beweise große Fantasie und verweigere sich „der Chronologie, des Realismus und der formalen Eindeutigkeit“.