Eltern holten keinen Arzt: Tochter tot
Die Obduktion bestätigte, was bereits befürchtet worden war: Im Waldviertel ließen Eltern eines ihrer sieben Kinder, eine 13-jährige Tochter, sterben, weil sie eine chronische Entzündung nicht behandeln ließen – offenbar aus religiösen Gründen.
Die Tragödie um die Schülerin war, wie bereits kurz berichtet, am Wochenende bekannt geworden. Die Staatsanwaltschaft Krems hatte die Eltern des Mädchens wegen des Verdachts des Mordes durch unterlassene Hilfeleistung Ende September in Untersuchungshaft nehmen lassen. Am Montag erklärte Behördensprecher Franz Hütter, die Obduktion im Fall der 13-Jährigen habe bestätigt, dass eine chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse zum Tod des Mädchens geführt habe. Die aus Deutschland stammenden Eltern, die angeblich einer christlichen Freikirche angehören, hätten ihre Tochter aus religiösen Gründen nicht ärztlich behandeln lassen. Das Paar soll der 13-Jährigen beim Sterben zugesehen haben. Dazu seien die beiden auch geständig.
Bei der Familie aus dem Bezirk Krems-Land konnten auch die Schulbehörden nicht rasch auf mögliche Unstimmigkeiten oder Vernachlässigung aufmerksam werden. Wie die Behörden bestätigten, besuchte die 13-Jährige keine Schule, sondern sie wurde im Rahmen des sogenannten häuslichen Unterrichts fortgebildet. Diese Tatsache habe es nicht erleichtert, dass die Behörden einhaken hätten können, sagte die Sprecherin der Bildungsdirektion Niederösterreich, Susanne Schiller. Durch häuslichen Unterricht (meist durch die Eltern) kann in Österreich die Unterrichtspflicht mit regelmäßigen Prüfungen bei den Schulbehörden erfüllt werden. Auch in der Vergangenheit gab es Fälle, in denen deutsche Staatsbürger so die Schulpflicht in Deutschland umgehen wollten.
Zur Familie im Waldviertel gehören sechs weitere Kinder im Alter zwischen drei und 16 Jahren. Sie seien nun gemeinsam in einer Einrichtung der Jugendwohlfahrt des Landes Niederösterreich untergebracht, erläuterte Bezirkshauptfrau Elfriede Mayrhofer. Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) erklärte zu der Tragödie: „Die Kinderund Jugendhilfe hatte im Sommer 2017 einige Wochen Kontakt zur Familie, um diese bei der Kindererziehung zu unterstützen. Danach wurde die Betreuung der Familie nicht mehr weitergeführt, weil es keine Anhaltspunkte mehr für eine mögliche Kindeswohlgefährdung gab.“Es sei damals auch ein Hausbesuch erfolgt. Eine Behandlung der damals Elfjährigen 2017 im Donauspital wurde laut ORF auf Wunsch der Eltern abgebrochen. Der Fall ruft Erinnerungen an eine Tragödie in Wien wach: In Floridsdorf wurde im Mai 2019 eine 45jährige Frau mit ihren 18-jährigen Zwillingstöchtern tot in einem Gemeindebau entdeckt. Alle drei waren Wochen zuvor verhungert. Hier wies die Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) Vorwürfe zurück, man habe sich ab 2017 nicht mehr genug um die Familie gekümmert. Die interne Revision bestätigte diese Sicht – jedoch kam die Volksanwaltschaft zum gegenteiligen Schluss: „Aufgrund eindeutiger Hinweise auf eine schwere psychische Erkrankung der Mutter hätte die Kinder- und Jugendhilfe von sich aus regelmäßig kontrollieren müssen.“Volksanwalt Bernhard Achitz stellte einen „Missstand in der Verwaltung“fest.
„Das Mädchen wurde zu Hause unterrichtet, das macht es nicht einfacher.“