Krebsgefahr bei Medikamenten gegen Bluthochdruck diskutiert
Ärzte haben begonnen, bestimmte Blutdruckmedikamente umzustellen, weil in Studien vorsichtig vor einem erhöhten Hautkrebsrisiko gewarnt wird. Berechtigt oder nicht?
SALZBURG. Ein Arbeitskollege wollte sich jüngst ein Rezept für sein bewährtes Medikament gegen Bluthochdruck holen. Seine Hausärztin wechselte mit dem Hinweis auf möglicherweise erhöhte Krebsrisiken auf einen anderen Wirkstoff. Auch in der Apotheke sagte man ihm, dass derzeit viele Hochdruckpatienten umgestellt würden.
Was steckt dahinter und welche Blutdruckmittel trifft es genau? Die SN sprachen darüber mit den führenden Kardiologen am Uniklinikum Salzburg. Konkret ist ein entwässerndes Mittel, ein sogenanntes Diuretikum, in Verdacht geraten, das Risiko für Basalzellkarzinome um das 1,3-Fache und für Plattenepithelkarzinome um das 4- bis 7,7Fache zu erhöhen. Auf Basis von Daten aus dem dänischen Krebs- und Verschreibungsregister zeigte sich in zwei Studien ein dosisabhängiger Zusammenhang zwischen dem Diuretikum mit dem Wirkstoff HCT (Hydrochlorothiazid) und nicht melanozytärem Hautkrebs. Im Gegensatz zum schwarzen Hautkrebs sind diese Krebsarten weniger gefährlich und bei entsprechender Vorsorge auch rechtzeitig erkennbar und gut behandelbar.
Uta Hoppe, Chefin der Kardiologie und der internistischen Intensivmedizin, sieht ebenso wie der Kardiologe Josef Niebauer, Leiter der präventiven und rehabilitativen Sportmedizin, aufgrund dieser Studien keinen Grund zu übertriebener Sorge. Vor allem sollten Patienten nicht selbstständig ihre verordneten Blutdruckmittel absetzen. Die dadurch entstehenden Risiken für das Herz-Kreislauf-System vom Schlaganfall bis zum Herzinfarkt und zur Herzinsuffizienz seien weitaus größer.
Tatsache ist, wie Niebauer erklärt: „Das Fähnchen ist hochgegangen und die Datenlage ist so zu beurteilen, dass man die Patienten informieren und HCT ersetzen sollte, wo man es nicht unbedingt benötigt. Zumal es auch eine gute Alternative gibt.“Diese Alternative ist nach seinen Angaben das Diuretikum mit dem Wirkstoff Chlortalidon, der in großen Studien an Tausenden von Patienten mit Erfolg getestet worden sei. Darüber hinaus weist Niebauer darauf hin, dass Chlortalidon in den USA Diuretikum Nummer eins sei. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt ebenfalls Chlortalidon und darüber hinaus noch den Wirkstoff Indapamid.
Für Uta Hoppe ist ein Argument in der Beratung über die HCT-Diuretika und einen etwaigen Wechsel besonders wichtig: „In der Aufklärung der Patienten sollte man ihnen auch mitteilen, dass das Krebsrisiko dosisabhängig sei. Bei uns werden fast nur Präparate mit 12,5 bis 25 Milligramm HCT verordnet. Die Krebsrisiken steigen aber erst bei hohen Dosen über 50 Milligramm über eine längere Zeit.“Die Chefin der Kardiologie am Uniklinikum Salzburg warnt daher davor, Patienten mit niedrig dosierten HCT-Diuretika stark zu verunsichern, weil genau diese Medikamente „viele Leben retten“.
Die Kardiologen kämpfen ohnehin mit einer mäßigen Disziplin ihrer Patienten, was die Einnahme von Blutdruckmedikamenten betrifft. „Ein Viertel der Patienten nimmt nach einem Jahr die Medikamente nicht mehr richtig ein. Hoher Blutdruck macht die Blutgefäße kaputt. Der Schaden, der durch falsch oder gar nicht eingenommene Blutdrucksenker entsteht, ist viel größer, als von den Nebenwirkungen ausgeht“, betont Niebauer.
Immer wieder sind in den vergangenen Jahren einzelne Medikamente gegen Bluthochdruck mit Krebsrisiken in Verbindung gebracht worden. So sollen sogenannte ACE-Hemmer zum Beispiel das Lungenkrebsrisiko leicht erhöhen. Zum überwiegenden Teil wurden diese Ergebnisse in weiteren Studien nicht bestätigt oder von den Experten stark abgeschwächt.
Die Kardiologen wenden ein, dass es sich hier meist nur um Beobachtungsstudien handle, die lediglich Assoziationen aufzeigen könnten, aber nicht bewiesen, dass ein tatsächlicher Ursache-Wirkungs-Zusammenhang vorliege. Bei der jüngsten HCT-Untersuchung seien zum Beispiel nicht besondere Risikogruppen für Hautkrebs herausgenommen worden.
Und noch einen Aspekt darf man, wie Uta Hoppe erklärt, nicht außer Acht lassen: Gut eingestellte Blutdruckpatienten hätten eine höhere Lebenserwartung, wie unzählige Studien belegten. Je älter man werde, umso höher sei auch das Risiko, an Krebs zu erkranken.
Der Arbeitskollege würde übrigens auf Chlortalidon umgestellt.
Es gibt Alternativen zum umstrittenen Wirkstoff