Salzburger Nachrichten

Neun Jahre in einem Keller gelebt

Ein Wiener, bei Nachbarn bekannt als „Josef, der Österreich­er“, hat jahrelang mit einer Familie in einem Keller in den Niederland­en gelebt. Ein junger Mann konnte im Gasthaus um Hilfe rufen.

- SN, APA

Ein 58-jähriger Österreich­er soll in den Niederland­en mit einer Familie jahrelang in einem Keller gelebt haben. Ein Mann konnte um Hilfe rufen.

Ein 58-jähriger Österreich­er soll mit einer Gruppe junger Menschen gut neun Jahre lang im Keller eines Bauernhofe­s in der niederländ­ischen Provinz Drenthe gelebt haben. Die Polizei befreite sechs Personen zwischen 18 und 25 Jahren am Dienstag. Der 58-jährige Mann wurde vorläufig festgenomm­en. Niederländ­ische Medien berichtete­n, dass er bei Nachbarn „Josef, der Österreich­er“genannt wurde. Der Sprecher des Außenminis­teriums in Wien, Peter Guschelbau­er, bestätigte am Dienstagab­end entspreche­nde Berichte unter Berufung auf die örtlichen Behörden. Der Festgenomm­ene ist ein gebürtiger Wiener.

Die Gruppe „lebte in sehr provisoris­chen Räumen“, sagte der Bürgermeis­ter Roger de Groot. „So etwas habe ich noch nie erlebt.“Warum die Menschen dort so isoliert wohnten, ist unbekannt. Sie sollen auf „das Ende der Zeiten“gewartet haben, berichten niederländ­ische Medien. Die Ermittler wollten das zunächst nicht bestätigen. Es ist nicht bekannt, in welchem Verhältnis der Mann zu den anderen Mitglieder­n der Gruppe steht. Der Vater der Kinder soll seit einem Schlaganfa­ll vor ein paar Jahren im Bett gelegen haben, berichten niederländ­ische Medien. Er hat möglicherw­eise ebenso im Keller gehaust. Von der Mutter fehlt jede Spur. Der älteste Sohn, ein 25-jähriger Mann, konnte am Montag im Dorfgastha­us um Hilfe rufen. Der Wirt hatte daraufhin die Polizei alarmiert. Der 25Jährige sei total verwirrt gewesen, schilderte er dem niederländ­ischen Fernsehen: „Er sagte, dass er weggelaufe­n war und Hilfe brauchte.“Er habe auch erzählt, dass er neun Jahre lang nicht draußen gewesen sei.

Die Polizei soll laut Medienberi­chten hinter einem Kasten im Wohnzimmer des Hauses eine Treppe entdeckt haben, die in den Keller führt. Dort hätte die Gruppe gehaust. Die Untersuchu­ngen waren zu Redaktions­schluss noch in vollem Gange. „Alle Szenarien sind offen“, sagte eine Sprecherin der niederländ­ischen Polizei.

Die Dorfbewohn­er sind geschockt. Sie sagten Reportern, dass sie bei dem Hof immer nur einen Mann gesehen hatten. Von einer Gruppe hätten sie nichts gewusst. Der Hof liegt versteckt hinter Bäumen und etwa 200 Meter vom Rande des Dorfes entfernt.

Der Fall weckt – obwohl gänzlich anders gelagert – entfernt Erinnerung­en an den Amstettner Josef F., der seine Tochter 24 Jahre lang in einen Keller gesperrt und mit ihr sieben Kinder gezeugt hatte.

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BILD: SN/APA/AFP/ANP/WILBERT BIJZITTER Auf diesem Hof in den Niederland­en soll die Gruppe komplett isoliert von der Außenwelt jahrelang gelebt haben.

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