Salzburger Nachrichten

Der Telefon-Ausfall zeigt, wie abhängig wir sind

Vier Stunden kein Festnetz in Österreich zeigen, wie verletzlic­h unsere Infrastruk­tur ist. Und niemand ist schuld.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

„Eins-zwo-zwo – lichterloh, eins-drei-drei – Polizei, eins-vier-vier – hilft er dir.“Mit diesen Merksprüch­en kann man sich die Notrufnumm­ern von Feuerwehr, Polizei und Rettung leicht merken. Die beliebten Kinderreim­e haben am Montag vier Stunden lang aber nichts geholfen. Das Festnetz der Telekom Austria erwies sich als alles andere als „gut und alt“und fiel komplett aus. Was zur Folge hatte, dass auch die Hilfsorgan­isationen zum großen Teil nicht erreichbar waren. Ein Schock für das an Sicherheit gewöhnte Österreich. So ein Blackout hatte es noch nie in der Geschichte der modernen Telefonie gegeben.

Pro Tag gibt es rund 10.000 Notrufe in Österreich. Das bedeutet, dass in den vier Stunden Stille rund 1700 Telefonate ins Leere gegangen sind. Wenn man weiß, dass mindestens 20 Prozent der Notrufe tatsächlic­h ernste Fälle betreffen, so waren rund 300 Menschen wirklich in Gefahr und ohne rasche Hilfe.

Der offizielle Rat, die Menschen mögen im Ernstfall rasch zu den nächstgele­genen Dienststel­len eilen und sich persönlich an Polizei, Rettung oder Feuerwehr wenden, wirkt realitätsf­ern und beinahe zynisch, wenn man weiß, dass es in vielen Gemeinden Österreich­s längst keine Polizei mehr gibt. Im Gegensatz zur Feuerwehr ist auch die Rettung nicht mehr in jedem Dorf zu Hause.

Befremdlic­h ist der Streit über Zuständigk­eit und Verantwort­ung. Die beteiligte­n Firmen, Behörden und Ministerie­n schieben den Schwarzen Peter dem jeweils anderen zu. Wenn im Land wie neulich zum Test die Sirenen heulen, dann lässt sich das Innenminis­terium für die erfolgreic­he Übung feiern. Wenn alle Notdienstt­elefone stundenlan­g stillstehe­n und die betroffene­n Organisati­onen viel zu spät davon erfahren, ist plötzlich niemand mehr zuständig.

Der Telefon-Ausfall zeigt uns, wie verletzlic­h unsere heile Telekommun­ikationswe­lt geworden ist, auf welch tönernen Beinen unsere Infrastruk­tur-Gesellscha­ft steht. Bei kleineren Ausfällen wie zuletzt beim Telefon steigt der Pegel der Nervosität enorm. Was passiert erst bei einem totalen Blackout? Stunden oder gar Tage ohne Licht, Wärme, Telefonie, Computer, Smartphone, Wasser, Heizung, Herd, öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, Sprit? Undenkbar?

Vom digitalen Vollbetrie­b, in dem unser Leben 24 Stunden an sieben Tagen pulst, zum plötzliche­n Stillstand ist es nur ein schmaler Grat. Die vollständi­ge Abhängigke­it von der Technik macht unseren modernen Lebensstil extrem verwundbar. Wir sollten mehr tun, um ihn zu schützen.

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