Salzburger Nachrichten

Salzburger Festival setzt auf ungewohnte Formate

Mit einem zwei Meter großen Instrument stößt ein Klarinetti­st weit vor – bis in die Jazzhitpar­aden in Neuseeland.

- BILD: SN/SESSION WORK/JULIA WESELY

Sie ist die Größte ihrer Familie und hat dennoch das Problem, dass sie kaum beachtet wird: Weder in der Klassik noch im Pop oder Jazz findet die zwei Meter lange Kontrabass­klarinette viel Platz. Christoph Pepe Auer hat sie für sein neues Album entdeckt – mit überrasche­nden Folgen: In Neuseeland landete er an der Spitze der Internetch­arts. Beim Salzburger Festival Jazz & the City ist Auer als einer von 300 Musikern zu Gast, die fünf Tage lang die Altstadt mit neuen Sounds und Formaten bespielen.

SALZBURG. Trotz ihrer imposanten Größe von zwei Metern wird sie gern übersehen: Im klassische­n Orchester taucht die Kontrabass­klarinette höchst selten auf, im Pop und Jazz spielt sie gar keine Rolle. Dabei kann sie den Horizont einer Band ungemein erweitern: „Dieser knarrige Sound, der tiefer geht als ein Kontrabass, das hat mich sehr gereizt“, erzählt Christoph Pepe Auer.

Neu gekauft würde sie allerdings so viel kosten wie zwei Autos. Beim Stöbern im Internet entdeckte Auer seine Kontrabass­klarinette in einem Fundus in den USA. „Ziemlich angerostet“und unspielbar sei sie in Österreich angekommen. Nun aber ist sie restaurier­t und erneut im Netz zu sehen: Im Video zum Song „Golden Hour“, der Single aus Christoph Pepe Auers jüngstem Album „White Noise“, gibt die Kontrabass­klarinette den Groove vor.

Auch nach Salzburg bringt der österreich­ische Klarinetti­st und Soundtüftl­er seine Entdeckung mit. Beim Gratisfest­ival Jazz & the City wird er das neue Album mit seinem Quartett vorstellen. Nebenbei spielt der umtriebige österreich­ische Klarinetti­st noch ein Kinderkonz­ert und führt eines der Walking Concerts an, bei denen die Besucher, mit Kopfhörern ausgestatt­et, den Musikern auf ihrer Route durch die Innenstadt folgen. Bei diesem Format allerdings müsse das imposante Instrument dann doch eher im großen, eigens angefertig­ten Koffer bleiben.

Auf dem Album „White Noise“erzeugen aber auch andere Instrument­e überrasche­nd groovebeto­nte Klänge: Neben Schlagzeug und Elektronik trägt etwa ein Cello zu einem Sound bei, der ebenso wärmend wie treibend klingen kann. Auer selbst nutzt seine Klarinette­n nicht nur für samtige Melodielin­ien. Immer wieder setzt er sie so ein, als seien sie Schlaginst­rumente. „Das hat damit zu tun, dass ich eigentlich als Schlagzeug­er angefangen habe – in einer Metalband. Rhythmus ist immer meine Sprache gewesen, das schwingt in allen meinen Projekten mit.“

So wie Auer sind auch die Mitglieder seines Quartetts (Cellist Clemens Sainitzer, Pianist Mike Tiefenbach­er, Schlagzeug­er Gregor Hilbe) ausgewiese­ne Jazzmusike­r. Dennoch trumpfen die Instrument­alstücke nicht mit Virtuositä­t auf, sondern schweben lieber mit einer poppigen Leichtigke­it daher. Wie weit das Album einer österreich­ischen Band mit diesen Mitteln segeln kann, habe ihn aber selbst überrascht, erzählt Christoph Pepe Auer: Vor ein paar Tagen sei er benachrich­tigt worden, dass „White Noise“beim Internetdi­enst iTunes in Neuseeland „sogar kurzfristi­g auf Platz eins der Jazz-Charts gelandet ist“. Für Musiker sind die aktuellen Verbreitun­gswege im Internet allerdings Segen und Fluch zugleich. Ein positiver Aspekt der florierend­en Streamingd­ienste sei, „dass heute mehr Musik gehört wird als je zuvor. Noch nie war es einfacher möglich, weltweit Hörer zu erreichen. Zugleich aber ist auf der Einnahmens­eite viel weggebroch­en.“Dass der eigene Erfindungs­reichtum nicht nur auf der Bühne eine immer wichtigere Rolle spielt, vermittelt Auer, der seit zwölf Jahren auch das Plattenlab­el Session Work Records betreibt, deshalb auch Musikstude­nten. „Überleben im Musikgesch­äft“hieß ein Kurs, den er im Vorjahr als Mozarteums­Lehrbeauft­ragter hielt.

„Eine Studie hat gezeigt, dass es vierzig verschiede­ne Wege gibt, mit Musik Geld zu verdienen“, sagt Christoph Pepe Auer. „Während des Studiums steht meist so sehr die Beschäftig­ung mit dem Instrument im Zentrum, dass viele junge Musiker gar keine genauen Vorstellun­gen von den Feldern haben, in denen man sich betätigen kann.“

Das Live-Spielen ist in der Internetär­a schon lange wieder zum Haupt-Lebensmitt­el für Musiker geworden. In Kombinatio­n mit Auftritten sei aber auch die CD sehr gefragt: „Wenn man ein gutes Konzert gespielt hat, wollen die Besucher etwas mit heim nehmen.“

Sollten nach dem Hitparaden­Erfolg nun allerdings Konzertang­ebote für Neuseeland folgen, hätte Christoph Pepe Auer erst einmal ein Zwei-Meter-Problem zu lösen: „Wie ich die Kontrabass­klarinette im Flugzeug mitnehmen könnte, das habe ich noch nicht geklärt.“

„Diese Klänge würde man von einer Klarinette vielleicht nicht erwarten.“

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria