Salzburger Nachrichten

Ruf nach Sicherheit­sschleusen in Spitälern

Die steigende Gewalt ist aber bei Weitem nicht das einzige Problem der Spitalsärz­te.

- INGE BALDINGER

WIEN. Karrierezi­el Primar oder Primaria? Stimmt so nicht. Harald Mayer, der für Spitalsärz­te zuständige Vizepräsid­ent der Österreich­ischen Ärztekamme­r, berichtet sogar von ersten Fällen, in denen Leitungsfu­nktionen zurückgele­gt wurden. Begründung: Man wolle nicht die Verantwort­ung für Abteilunge­n tragen, die personell derart am Limit seien, dass es nur eine Frage der Zeit sei, „bis sie an die Wand fahren“.

Mit diesen drastische­n Worten illustrier­te Mayer die Ergebnisse der jüngsten, erneut von IMAS durchgefüh­rten Spitalsärz­tebefragun­g. Und knüpfte daran eine Reihe von Forderunge­n an die Politik, um den Druck in den Krankenhäu­sern und ihren Ambulanzen zu lindern.

Eine davon dürfte relativ einfach zu erfüllen sein: Wegen der steigenden Gewalt gegen Spitalsärz­te – nur ein Viertel der fast 3600 an der Umfrage teilnehmen­den Ärztinnen und Ärzte gab an, noch nie verbal, handgreifl­ich oder gar mit einer Waffe attackiert worden zu sein – werden Sicherheit­sschleusen gewünscht, wie es sie in verschiede­nen Amtsgebäud­en (etwa in Gerichten) bereits gibt.

Erneuert wird die Langzeitfo­rderung nach einer wirksamen Patientens­teuerung weg von den Spitälern hin zu den niedergela­ssenen Kollegen. Ob dies durch Anreize oder Strafen bewerkstel­ligt werden soll, ließ Mayer offen. Nur eine Variante schloss er als untauglich aus: eine Ambulanzge­bühr. Einmal mehr wies Mayer ferner auf die dringende Notwendigk­eit hin, administra­tive Arbeiten von den Ärzten zu nehmen, damit sie mehr Zeit für ihren eigentlich­en Beruf – die Behandlung der Patienten, aber auch die Ausbildung der künftigen Fachärzte – haben. Gerade einmal ein Drittel der Ärzte gab in der Befragung an, bereits durch eigene, für die Dokumentat­ion zuständige Assistente­n entlastet zu werden. Am größten ist die so eingetrete­ne Unterstütz­ung in den Spitälern Vorarlberg­s und Oberösterr­eichs.

Das änderte aber offenbar nichts daran, dass mit unterdesse­n 37 Prozent ein erneut größer gewordener Teil ders Arbeitspen­sums für die Bürokratie draufgeht. Auf ärztliche Tätigkeite­n entfallen 58 Prozent, für Forschung und Lehre bleiben gerade einmal fünf Prozent der Arbeitszei­t, die im Schnitt mit 47 Wochenstun­den angegeben wurde.

Dass in den Krankenhäu­sern fast durch die Bank zu wenig Zeit für die Ausbildung künftiger Fachärzte bleibt, hält Mayer für den Hauptgrund, warum annähernd die Hälfte der Medizinstu­denten nach ihrem Abschluss ihr Glück in einem anderen Land oder einer anderen medizinisc­hen Sparte sucht. Deshalb brauche es nicht zusätzlich­e Studienplä­tze, vielmehr müssten die Facharztau­sbildung und die Arbeitsbed­ingungen in den Spitälern durch mehr Personal so attraktiv gemacht werden, dass dem heimischen Gesundheit­swesen nicht mehr jährlich rund 600 Jungmedizi­ner verloren gehen.

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