Das geringste Wachstum seit zehn Jahren
Handelsbarrieren und geopolitische Turbulenzen lasten auf der Weltwirtschaft. Der IWF ruft die Politik zum Handeln auf.
Die Weltwirtschaft befindet sich in einem synchronen Abschwung, deshalb nehme man die Wachstumsprognose für das laufende Jahr einmal mehr zurück, sagte Gita Gopinath, Chefökonomin des Internationalen Währungsfonds (IWF), bei der Präsentation des World Economic Outlook am Dienstag. Für 2019 prognostiziert der IWF nun einen Anstieg der globalen Wirtschaftsleistung von 3,0 Prozent, das ist das schwächste Wachstum seit der Finanzkrise 2008–2009.
Höhere Barrieren für den Welthandel und geopolitische Spannungen drückten auf das Wachstum. Man gehe davon aus, dass der Handelsstreit der USA mit China die globale Wirtschaftsleistung 2020 um 0,8 Prozent reduzieren werde, sagte Gopinath. Der Abschwung werde durch spezifische Probleme in Entwicklungsländern und strukturelle Faktoren in entwickelten Volkswirtschaften – schwache Produktivität und alternde Gesellschaften – verstärkt. Für 2020 erwartet der IWF 3,4 Prozent Wachstum, allerdings sei die Erholung nicht breitflächig und berge hohe Unsicherheiten. Sie werde von Entwicklungsländern und aufstrebenden Volkswirtschaften getragen, deren Wachstum sich 2020 auf 4,6 Prozent (2019: 3,9 Prozent) beschleunigen sollte. Dieser Aufschwung sei aber zur Hälfte von Ländern getrieben, die den Weg aus der Rezession finden, wie Argentinien, die Türkei oder der Iran, oder
Gita Gopinath, Chefökonomin des IWF
nach einem scharfen Abschwung 2019 wieder Tritt fassten, wie Brasilien, Indien, Mexiko oder Russland.
Als Hauptgründe für das schwache Wachstum führen die Experten des IWF die massive Verschlechterung in der produzierenden Industrie und im Welthandel an. Sowohl die Investitionen als auch die Nachfrage nach Investitionsgütern litten unter höheren Zöllen und der andauernden Unsicherheit über die Entwicklung der Handelspolitik. Zudem gerate die Automobilindustrie in Europa und China wegen verschärfter Umweltstandards unter Druck. All das habe dazu geführt, dass das globale Handelsvolumen im ersten Halbjahr 2019 nur um ein Prozent zugenommen habe, das sei der geringste Zuwachs seit 2012.
Im Gegensatz dazu erweise sich der Dienstleistungssektor in fast allen Teilen der Welt als stabil. Das sorge für Belebung auf den Arbeitsmärkten, Lohnzuwächse hielten in den entwickelten Ländern den Konsum am Laufen. Allerdings gebe es in den USA und in Europa erste Anzeichen, dass sich dieser Trend verflache, heißt es im IWF-Ausblick.
Die Ökonomen der Denkfabrik in Washington führen noch weitere Abwärtsrisiken an, so könnten eine Eskalation im Handelsstreit sowie der Brexit eine fragile Erholung zunichtemachen. Das könnte finanzielle Verwerfungen auslösen, unter denen vor allem Entwicklungsländer zu leiden hätten, weil Kapital von dort abfließen würde. In Europa, Japan und den USA könnte die Inflation auf tiefem Niveau verharren und damit den Handlungsspielraum für die Geldpolitik einengen und deren Wirksamkeit reduzieren.
Beim IWF sieht man deshalb die Politik gefordert, das Wachstum zu unterstützen. Der Abbau von Handelsschranken und eine Beruhigung politischer Konflikte würden Vertrauen schaffen und damit Investitionen, die Produktion und den Handel wieder beleben. Daher warte man gespannt auf nähere Details des kürzlich erzielten Kompromisses zwischen den USA und China. Die Deeskalation sei zu begrüßen, sie sollte aber nur ein erster Schritt zu einer umfassenden und langfristigen Vereinbarung sein.
Geldpolitik könne jedenfalls auf Dauer nicht das einzige Mittel sein, es müsse Unterstützung seitens der Fiskalpolitik geben. Dort, wo es in den öffentlichen Haushalten Spielraum gebe, sollte dieser genutzt werden, rät der IWF. Länder wie die Niederlande oder Deutschland sollten die niedrigen Zinsen nutzen, um in Infrastruktur und Sozialkapital zu investieren. Für nachhaltiges Wachstum sollten Länder trachten, ihre Produktivität zu erhöhen, sich krisenfest zu machen und die Ungleichheit zu verringern.
„Die Politik darf sich keine Fehler erlauben.“