„Erwarte nicht, dass mich alle bejubeln“
Armin Wolf beschreibt im SN-Gespräch, dass Harald Vilimsky den Eklat in der „ZiB 2“geplant hatte. Er schildert, wen er gern klagen würde, aber nicht kann. Und er sagt, wieso seine Frau seine Interviewpartner beneidet.
Es war die zweite Auszeichnung innerhalb weniger Tage: Nach dem Leipziger Medienpreis wurde Armin Wolf Ende vergangener Woche noch als „Europäischer Journalist des Jahres“prämiert. Im Interview spricht der „Zeit im Bild“-Moderator über den Hauptgrund der Auszeichnung – sein Gespräch mit Harald Vilimsky (FPÖ). Der 53-Jährige kritisiert aber auch Facebook. Er begründet, wieso der ORF seine Gebühren wert ist. Und er skizziert die „tiefste strukturelle Krise, seit Massenmedien erfunden wurden“. SN: Herr Wolf, bei Ihrer „Prix Europa“-Rede haben Sie sich bei Harald Vilimsky bedankt. Wie viel Ernst steckte in dem Dank? Rein faktisch stimmt es wohl: Hätte Herr Vilimsky nicht auf Eskalation gesetzt, wären Sie am Freitag nicht auf der Bühne gestanden. Armin Wolf: (lacht) Ja, das kann sein. Aber ich hoffe dann doch, dass noch etwas anderes ausgezeichnet wurde als dass Herr Vilimsky einen Eklat produzieren wollte. SN: Sollte die Eskalation von Herrn Vilimsky geplant gewesen sein, würde das bedeuten, dass er Sie bewusst benutzt hat. Stört Sie der Gedanke? Die Eskalation war absolut geplant. Kurz darauf ging der „Arminia Wolf“-EU-Werbespot der FPÖ online – und der ist nicht in eineinhalb Stunden produziert worden. Das hatte also nichts mit meinen Fragen oder dem „Stürmer“-Vergleich (mit einem Cartoon der FPÖ-Jugend, Anm.) zu tun. Das war Teil einer Anti-ORF-Kampagne im Wahlkampf. SN: Aber stört Sie der Gedanke nicht, dass Herr Vilimsky wohl bewusst Ihr Gespräch genutzt hat? Armin Wolf als – für die FPÖ – linkslinkes Feindbild? Ich glaube, ich tauge nicht sehr als linkslinkes Feindbild. Aber von Herrn Vilimsky aus bin ich sicher links. Vom Nordpol aus gesehen liegt alles im Süden. SN: NZZ-Chefredakteur Eric Gujer hat das Interview kritisiert. Würden Sie das Gespräch auch mit etwas Abstand immer noch so führen? Ich würde kein Interview nochmals genau so führen. Aber den Vergleich würde ich wieder bringen. Ich finde übrigens sehr seltsam, dass das Poster immer noch online ist. Das ist ein wirklich übles rassistisches Machwerk. SN: Im Kern von Gujers Kritik steckte, dass Medien immer populistischer würden ... ... was für die NZZ ja durchaus zutrifft. Aber ich wüsste jetzt nicht, was das mit meiner Arbeit zu tun haben könnte. SN: Dennoch allgemein gefragt: Wie viel Volksnähe braucht Information, um 2019 eine breite Masse zu erreichen? Ich halte das für eine interessante Frage. Gleichzeitig ist falsch, Populismus und Volksnähe gleichzusetzen. Wir müssen Nachrichten so verständlich und interessant wie möglich machen – und das für ein großes Publikum. Das hat aber nichts mit Populismus zu tun, im Sinne von dem Volk nach dem Mund zu reden oder an Vorurteile und Ressentiments zu appellieren. Journalismus sollte vielmehr an die Vernunft appellieren. Und das so wenig langweilig wie nur möglich. SN: Also spielt Unterhaltung eine größere Rolle? Einen Moderator, der sich „plankend“auf den Tisch legt, hätte es vor Jahren wohl nicht gegeben. Das weiß ich nicht. Ich habe die lustigen Bemerkungen am Ende der „ZiB“ja nicht erfunden. Und auf dem Tisch gelegen bin ich in 17 Jahren nur ein Mal.
Wir machen Nachrichten für die Zuseher – wir selbst kennen sie ja schon. Die „ZiB“muss also interessant sein, es darf aber keinem Selbstzweck dienen und keine Unterhaltungssendung werden. Deshalb gibt es den gespielten Witz ja auch am Ende, quasi als Betthupferl. SN: Geht Ihnen der Rummel um Ihre Person dennoch ab und zu zu weit? Wenn Sie twittern, dass Ihr Zug feststeckt, ist das für oe24 eine Geschichte. Ja, das ist absurd. Wenn ich nicht mehr auf oe24 erwähnt würde, wäre das auch kein Nachteil in meinem Leben. Und ich könnte auf etliche unhöfliche Kommentare auf Social Media verzichten. Aber ich erwarte auch nicht, dass jemand, der in der Öffentlichkeit arbeitet, von allen bejubelt wird. SN: Stichwort Social Media: Auf Facebook kursierten Inserate, die ohne Ihr Wissen mit Ihnen werben. Stimmt es, dass Sie dagegen nichts tun können? Ja genau. Ich habe es zwar angezeigt. Aber mir wurde gesagt, dass es kein Offizialdelikt sei. Und da man den Urheber nicht ausfindig machen kann, gibt es auch niemanden, den ich klagen könnte. Das ist absurd. Und es ist absurd, dass Facebook offenbar jeden nackten Nippel verhindern kann, aber nicht den offensichtlichen Missbrauch von Persönlichkeitsrechten. SN: Bleiben wir bei den sozialen Medien: Hat sich die 2019 erlassene Social-Media-Richtlinie des ORF auf Ihr Verhalten auf Twitter ausgewirkt? Nein. Ich habe schon vorher versucht, mich vernünftig zu verhalten, und mir war schon vorher bewusst, wo ich arbeite. Und das hat dann mit der jetzt vernünftig formulierten Richtlinie auch zusammengepasst. Die Aufregung gab es, weil der erste Entwurf wirklich überschießend war. SN: Konnten Sie die Kritik an Ihrem Twitter-Auftritt je nachvollziehen? Ein Argument ist etwa, dass US-Politjournalisten oft gar nichts politisch Bezogenes posten dürfen. Ich kenne die Regelung der „New York Times“und halte sie für überzogen. In den USA ist es aber auch undenkbar, dass ein Reporter einen Kommentar schreibt. Das ist bei uns ja anders. Deshalb finde ich die Debatte in Österreich eher seltsam. SN: In Ihrem Privatblog weisen Sie auf die Medienkrise hin. Müssen wir uns um die Zukunft von Qualitätsmedien sorgen? Ja, müssen wir, leider. Weil wir in der tiefsten ökonomischen und strukturellen Krise stecken, seit Massenmedien vor rund 500 Jahren erfunden wurden. Und niemand weiß, wie sich seriöse Zeitungen in 15 Jahren noch finanzieren sollen. SN: Hätten Sie die Lösung für das Dilemma ... ... würde ich nicht spätabends moderieren, sondern auf der Veranda in der Toskana Geld zählen(lacht). SN: Darauf wollte ich hinaus. Aber gibt es Lösungsansätze? Eine Variante ist, dass öffentlichrechtliche Medien noch wichtiger werden: Die öffentliche Finanzierung von Qualitätsmedien könnte ein Modell sein. Es kann ja nicht sein, dass Medien nur noch als Hobbys von Milliardären existieren können. Für ein Massenmedium, das weder stark spezialisiert ist noch auf Promis und Katzenvideos setzt, gibt es einfach noch kein gutes Geschäftsmodell. SN: Aber die Gebührenfinanzierung , im speziellen Fall des ORF, wird jetzt schon kritisiert. Steht es etwa dafür, für einen ORF-1-Nachmittag voller US-Serien zu zahlen? Niemand zahlt für einen Seriennachmittag Gebühren. Man zahlt Gebühren für vier Fernsehsender, 13 Radiosender und das größte Onlineangebot des Landes. Ö1 und ORF III allein wären ja die 80 Cent am Tag wert. Die US-Serien kriegt man quasi dazugeschenkt. SN: Zum Abschluss: Stimmt es, dass Ihre Frau auf Ihre Interviewpartner neidisch ist – weil Sie die Gespräche mit diesen rasch beenden? Ja, das sagt sie gelegentlich. Ich habe einfach großen Spaß am Diskutieren. Und das kann im Privaten durchaus anstrengend sein (lacht).