Wenn die Jungen nicht wollen
Seit 100 Jahren führen die Zieglers ihren Stahlbaubetrieb. Die fünfte Generation hat kein Interesse. Wie es trotzdem weitergeht.
SALZBURG. Bei Ziegler Stahlbau ging man immer schon ungewöhnliche Wege. Als Johann Ziegler den Betrieb vor 100 Jahren aufsperrte, herrschte in Salzburg eine Hungersnot – alles andere als gute Zeiten für eine Firmengründung. Als er nur drei Jahre später jung starb, übernahm seine Frau Anna das Ruder. Dass eine Frau in einer Männerdomäne das Sagen hat, ist heute noch die Ausnahme. Vor 100 Jahren war es beinahe unvorstellbar. Anna Ziegler führte als junge Witwe die Schlosserei fünf Jahre lang erfolgreich durch schwere Zeiten mit hoher Inflation und Arbeitslosigkeit. So lang, bis ihr Sohn Friedrich die Meisterprüfung abgelegt hatte, der als damals jüngster Schlossermeister Österreichs mit 21 Jahren den Betrieb übernahm. 45 Jahre später gab dieser die Leitung von Ziegler Stahlbau an seinen Sohn Friedrich ab. Dass dieser an Kinderlähmung litt und keine Schlosserausbildung absolvieren konnte, verhinderte das nicht. Es wurde einfach ein technischer Leiter eingestellt. Danach kam wieder eine Frau zum Zug: Tochter Elisabeth KislingerZiegler übernahm in vierter Generation in den 1980ern. „Für meinen Großvater war es ein Super-GAU, dass ich ein Mädchen geworden bin und kein männlicher Nachfolger da war. Für meinen Vater war gleich klar, dass ich das mache“, erzählt Kislinger-Ziegler. Sie übernahm nach ihrem BWL-Studium in Linz die Firma. „Ich bin keine Technikerin, aber ich bin da hineingewachsen.“Dass bereits ein technischer Leiter im Betrieb war, war natürlich hilfreich. Dafür habe sie andere Kompetenzen mitgebracht – etwa Achtsamkeit und eine ausgeprägte Sensorik für die Menschen rund um sie herum. Für die gehörlose Mutter war sie schon als Kind Sprachrohr und übernahm für sie die Kommunikation. Das prägt.
Eine fünfte Ziegler-Generation wird es aber nicht geben – zumindest nicht im bisherigen Sinne: Keines der vier bereits erwachsenen Kinder hat Interesse daran, in ihre Fußstapfen zu treten. Die Söhne und Töchter haben sich für andere Branchen – von der Medizin über die Forstwirtschaft bis zum Eventmanagement – entschieden. „Früher war es Tradition, dass ein Familienbetrieb von Generation zu Generation weitergegeben wird. Heute lässt man den Kindern größere Freiheiten“, erzählt die umtriebige Geschäftsführerin. Jedes Kind soll seinen Neigungen nachgehen – und nicht in eine Rolle gezwungen werden. „Wenn jemand, den nur die Gene dazu bestimmen, die Leitung übernimmt, tut das weder Betrieb noch Mitarbeitern gut. Und mir auch nicht. Es ist gescheiter, es übernimmt jemand, der es gern und gut macht“, sagt die Firmenchefin. Ein paar Jahre will die 57-Jährige noch an der Spitze bleiben. Die Weichen für die Zeit danach hat sie aber schon jetzt gestellt. Auch, um den 25 Mitarbeitern Unsicherheit zu nehmen, was ihre Zukunft betrifft.
Dafür hat sie eine unübliche Lösung gefunden. Der Betrieb wurde unlängst geteilt: Die Elisabeth Ziegler Gmbh verpachtet den Betrieb an die Ziegler Stahlbau Gmbh. Das Eigentum bleibt in der Familie, auch nötige Investitionen werden hier getätigt. Die neuen Chefs haben aber freie Hand im operativen Geschäft. Wer dies übernimmt, ist noch offen. Zieglers Wunsch ist ein Nachfolger aus dem Betrieb. „Wir haben eine tolle Mannschaft und viel Know-how. Der Plan ist, dass junge Leute den Betrieb weiterführen können, ohne gleich viel Geld in die Hand nehmen zu müssen.“
Die wirtschaftliche Führung der übergeordneten Gesellschaft kann, wenn Kislinger-Ziegler ausscheidet, ein externer Geschäftsführer übernehmen. Oder, falls sie es sich anders überlegen, doch eines der Kinder. Dass die Fläche, die mitten im Grünen an der Hellbrunner Allee liegt, im Eigentum der Familie bleibt, ist auch aus anderen Gründen wichtig. Schließlich wohnt die Chefin selbst am Gelände. Ihr Mann hat dort seine Arztpraxis.
Die große 100-Jahr-Feier hat Elisabeth Kislinger-Ziegler gerade hinter sich gebracht. „Die Mitarbeiter reden jetzt schon von der 125-JahrFeier, zu der sie mich dann einladen wollen. Es muss nicht alles komplett in der Familie bleiben – und trotzdem geht es weiter.“