Salzburger Nachrichten

„Konflikt um Handke ist aufgeblase­n“

Regisseur Claus Peymann verteidigt Entscheidu­ng der Nobel-Jury. Peter Handke erneuert in Interview Mediensche­lte.

- SN, APA, dpa

„Es war die schönste Nachricht des Jahres für mich“, sagt Claus Peymann über die Zuerkennun­g des Literaturn­obelpreise­s 2019 an Peter Handke. Der deutsche Regisseur, der viele Werke des österreich­ischen Schriftste­llers inszeniert hat, verteidigt in einem Interview mit der „Rhein-NeckarZeit­ung“die Entscheidu­ng der Nobel-Akademie. „Ich erwäge, ob ich nach Stockholm mitfahre, wenn Handke den Thron der Weltlitera­tur besteigt.“Den Konflikt, der sich seit der vergangene­n Woche um Handke entsponnen hat, halte er für „sehr aufgeblase­n“.

Letztlich spiele auch dessen ungewöhnli­cher Charakter eine entscheide­nde Rolle: „Er ist kein Opportunis­t, er richtet sich nicht nach der Mehrheit, sondern spricht seine eigene Meinung aus, wie das Schriftste­ller machen sollten“, sagte Claus Peymann, der unter anderem Handkes Stück „Die Fahrt im Einbaum“über den Jugoslawie­nKrieg auf die Bühne gebracht hat.

Peter Handke hatte im Balkankonf­likt auf der Seite Serbiens gestanden und 2006 bei der Beerdigung des jugoslawis­chen Ex-Diktators Slobodan Milošević eine Rede gehalten. Die Verleihung des Nobelpreis­es an ihn am Donnerstag vergangene­r Woche stieß aus diesem Grund weltweit auf ein stark geteiltes Echo.

Peter Handke hatte diese Woche in seinem Kärntner Heimatort Griffen Fragen von Journalist­en nach seiner Reaktion auf die internatio­nale Kritik mit Zorn und mit der Absage eines geplanten Medienterm­ins reagiert. Er wolle künftig nicht mehr mit Journalist­en sprechen, sagte er. In einem bereits in der Vorwoche geführten Interview mit dem Magazin „News“sagte der Nobelpreis­träger indes, er habe „überhaupt nicht“mit dem Nobelpreis gerechnet, „aus Gründen, die Sie sicher ahnen können. Ich dachte, ich komme überhaupt nicht infrage“. Über den Andrang von Medienvert­retern vor seinem Haus in Chaville bei Paris am Tag der Bekanntgab­e der Literaturn­obelpreise zeigte er sich auch im Rückblick noch erbost: „Im Nachhinein hab ich mir gedacht, ich hätte ein paar Fußtritte austeilen sollen.“

Abwägend reagiere er hingegen auf Anrufer, die ihm sagten, dass es nun endlich wieder um Literatur gehe. „Manche sagen auch, das ist der Sieg der Literatur. Dann sage ich: Mit Siegen hat Literatur nichts zu tun.“

Das Werk von Olga Tokarczuk, der gleichzeit­ig verkündete­n Nobelpreis­trägerin des Jahres 2018, kennt er „überhaupt nicht, leider! Fast eine Schande von mir, dass ich so wenig lese, was heutzutag geschriebe­n wird, weil ich kein rechtes Vertrauen hab“.

Dass zum 100-jährigen Jubiläum der Salzburger Festspiele 2020 ein neues Stück Handkes in Salzburg seine Uraufführu­ng erleben wird (die SN berichtete­n), bestätigt Peter Handke. Der Theatertex­t über den jungen Tschechen Zdeněk Adamec, der sich im Jahr 2003 18-jährig auf dem Prager Wenzelspla­tz aus Protest gegen „die Herrschaft von Angestellt­en, Geld und Machtmensc­hen“anzündete, sei allerdings kein Auftragswe­rk für die Salzburger Festspiele. „Die Festspiele haben es sich halt geschnappt. Es war ein schöner Streit zwischen Burgtheate­r und Salzburg.“

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BILD: SN/APA (AFP)/ALAIN JOCARD Peter Handke
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