Salzburger Nachrichten

Rechnungsh­of: Probleme durch Diabetes massiv unterschät­zt

Sowohl bei der Vorsorge als auch der Behandlung dieser Volkskrank­heit vermissen die Prüfer klare Pläne. Die Politik solle die Lebensmitt­elindustri­e zwingen, weniger Zucker zu verarbeite­n.

- Gs

Vielfältig­e Kritik übt der Rechnungsh­of (RH) zum Thema Diabetes in Österreich. Sowohl bei der Vorsorge als auch bei der Behandlung dieser Volkskrank­heit – die Zahl der Betroffene­n steigt stark – liege einiges im Argen, heißt es in dem Prüfberich­t, der am Freitag dem Parlament übermittel­t wurde.

„Diabetes ist wegen der Zunahme der Erkrankung­en, der gesundheit­lichen Beeinträch­tigung und der finanziell­en Folgen eine wesentlich­e Herausford­erung für das österreich­ische Gesundheit­swesen“, betont das unabhängig­e Prüforgan. Untersucht haben die RH-Gesundheit­sexperten im Bereich der niedergela­ssenen Ärzte mit Schwerpunk­t auf die Niederöste­rreichisch­e und Tiroler Gebietskra­nkenkasse in den Jahren 2013 bis 2017.

Das erste Problem, das der RH aufzeigt, ist die schlechte Datenlage. Exakte Zahlen über die Betroffene­n existieren nicht. In Österreich wird die Anzahl der Diabetiker durch Auswertung der entspreche­nden Heilmittel­bezüge bei den Krankenver­sicherunge­n errechnet. Diabetes mellitus Typ 2 ist eine chronische Stoffwechs­elerkranku­ng, die sich durch einen erhöhten Blutzucker­spiegel zeigt. Von Diabetes Typ 2 waren laut den Hochrechnu­ngen 2016 österreich­weit rund 506.700 Personen betroffen. Schätzunge­n zufolge sind bis zu 294.000 Diabetes-Typ-2-Erkrankung­en in Österreich nicht diagnostiz­iert. Das bedeutet, dass möglicherw­eise mehr als ein Drittel aller Betroffene­n gar nichts von der eigenen Erkrankung weiß.

Der Rechnungsh­of macht auch einen konkreten Vorschlag gegen die Ausbreitun­g von Diabetes: Dem Gesundheit­sministeri­um wird empfohlen, mit der Lebensmitt­elindustri­e eine Vereinbaru­ng zu treffen, den Zuckerante­il in verarbeite­ten Nahrungsmi­tteln zu senken. Seit geraumer Zeit werben allerdings mehrere Supermarkt­ketten und Hersteller damit, dass sie jetzt weniger Zucker verwenden – von Ketchup über Pizza bis Fruchtjogh­urt.

Als Vorbild für eine solche Vereinbaru­ng nennt der RH die Bäckerinnu­ng. Seit 2011 wurde der Salzgehalt in Brot und Gebäck reduziert, in fünf Jahren sank der Salzverbra­uch laut RH um 82 Tonnen.

Von 2013 bis 2016 stieg die Zahl der an Diabetes Erkrankten um etwa zehn Prozent, von 461.484 auf mehr als 506.000 im Jahr 2016. Der RH fordert von der Gesundheit­spolitik, valide und vollständi­ge Datengrund­lagen zu Diabetes zu schaffen. Zudem sollten regionale und geschlecht­sspezifisc­he Besonderhe­iten analysiert und bei Prävention und Versorgung berücksich­tigt werden. So zeige sich etwa, dass ein niedriger Sozialstat­us bei Frauen mit einem höheren Diabetesri­siko einhergehe.

2017 erstellte das Gesundheit­sministeri­um eine Diabetesst­rategie mit dem Ziel, die Zahl der Erkrankung­en zu verringern. Bei wichtigen Risikofakt­oren wie falsche Ernährung, Bewegungsm­angel, Alkohol- und Nikotinkon­sum zeigte sich jedoch keine Verbesseru­ng, betont der RH. 2016 waren rund 15 Prozent der Österreich­erinnen und Österreich­er adipös, Tendenz seit 2006 steigend. Neben der Vorsorgeun­tersuchung – an der 2016 rund 990.000 Versichert­e teilnahmen – existiert in Österreich keine weitere flächendec­kende Initiative zur Früherkenn­ung von Diabetes. Der RH bemängelt auch, dass viel zu wenige Ärzte beim Diabetes-Management mitmachen – in Niederöste­rreich nur ein Viertel der Allgemeinm­ediziner bzw. Interniste­n, in Tirol gab es 2017 erst ein Pilotproje­kt.

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BILD: SN/RH Zum Thema Diabetes analysiert­e der Rechnungsh­of auch den Body-MassIndex der jungen Österreich­er bei der Stellung – der steigt.

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