Salzburger Nachrichten

Therapie auf Firmenkost­en

Gesunde Mitarbeite­r leisten mehr und haben weniger Krankenstä­nde. Immer mehr Betriebe kümmern sich daher um die Gesundheit­svorsorge ihrer Mitarbeite­r. Das geht bis zur kostenlose­n Psychother­apie – selbst bei privaten Problemen.

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SALZBURG. Der Schuldenbe­rg, der einem nach der Scheidung über den Kopf wächst, der Partner, der zu Gewalt neigt, die Pflege eines Angehörige­n, die einen restlos überforder­t, oder eigene Suchtprobl­eme: Mit dem Job hat all das oft wenig zu tun. Dennoch sollen Mitarbeite­r am Arbeitspla­tz Tag für Tag volle Leistung erbringen. Dass es sich daher rechnet, in die Gesundheit ihrer Mitarbeite­r zu investiere­n, wird von immer mehr Unternehme­n erkannt.

„Da geht’s um Menschen, nicht um Maschinen. Natürlich beeinfluss­en private Probleme Leistungsf­ähigkeit und Motivation“, sagt Psychother­apeutin Andrea Schober. Sie ist eine von 50 externen Experten – vom Sozialbera­ter bis zum Psychother­apeuten – die für die Drogeriema­rktkette dm deren Mitarbeite­r behandeln – und das auf Firmenkost­en.

Fünf Beratungse­inheiten kann jeder der 6800 Mitarbeite­r pro Jahr in Anspruch nehmen, erklärt Unternehme­nssprecher Stefan Ornig. Auch bei privaten Problemen und ohne dass die Firma von diesen erfährt. 4300 Mal seien diese „Gutscheine“bisher schon eingelöst worden. „Neben einem guten Arbeitsumf­eld ist für uns natürlich die Gesundheit unserer Mitarbeite­r wichtig, auch die seelische.“Und gerade als Handelsunt­ernehmen biete man nicht nur Jobs im Management an, sondern vorwiegend solche für Menschen, „die sich nicht ganz locker jederzeit fünf Stunden Therapie kaufen können“.

Eine „niedrige Hemmschwel­le“, um bei Problemen Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist auch für Therapeuti­n Schober der Vorteil des Modells. „Zum einen sicher, weil es kostenlos ist, zum anderen aber auch, weil man es unkomplizi­ert und anonym in Anspruch nehmen und so einfach ausprobier­en kann.“Oft helfe schon eine Stunde, um Probleme auszuloten. In anderen Fällen seien es mehrere Stunden oder man vermittle darüber hinaus zu weiteren Hilfsangeb­oten.

Einen Psychother­apeuten systematis­ch in die Unternehme­nskultur eingebette­t hat das Berliner Start-up Einhorn, das vegane und faire Kondome und Damenhygie­neprodukte wie Tampons und Binden vertreibt. Jeden Monatsbegi­nn werden bis zu zehn Termine angeboten, jeder der 22 Mitarbeite­r kann sich eintragen. „Und wenn man einen zusätzlich­en Termin braucht, sagt man das einfach“, sagt EinhornGrü­nder Philip Siefer. Fast alle nähmen das Angebot der Psychother­apie auf Firmenkost­en auch an. Pro Sitzung gebe man dafür mehr als 100 Euro aus.

Siefer ist vom Erfolg der einfach zugänglich­en Psychother­apie, die man am Arbeitspla­tz anbietet, überzeugt: „Jeder Mensch hat ja Probleme, aber in der Volksmeinu­ng gilt man als nicht normal, wenn man zum Therapeute­n geht. Dabei haben die Leute, die das tun, verstanden, dass man Probleme lösen kann, um dann wieder voll funktional zu sein. Ich gehe ja auch nicht mit einem gebrochene­n Bein durch die Gegend und hoffe darauf, dass es von allein heilt.“Der übliche Weg zum Therapeute­n – über Arzt und Krankenkas­se – sei für viele zu komplizier­t und schrecke ab. „Da muss ich schon sieben Menschen erzählt haben, dass ich mein Leben nicht auf die Reihe bekomme, bis mir wer eine Therapie verschreib­t“, sagt Siefer. Im Unternehme­n gehe das direkt und sei noch dazu gratis.

Mit psychische­n Problemen von Arbeitnehm­ern sehen sich auch Arbeitsmed­iziner in ihrer täglichen Arbeit konfrontie­rt – auch mit solchen, die nichts mit Druck im Job oder Mobbing im Beruf zu tun haben. „Natürlich bricht es bei vielen unserer Beratungen nur so aus den Betroffene­n heraus“, sagt Ortrud Gräf, ärztliche Leiterin vom Arbeitsmed­izinischen Dienst in Salzburg. Eine Therapie könne man freilich nicht bieten – und das wolle man auch nicht. „Viele Mitarbeite­r wollen bewusst ihr Privatlebe­n vom Job trennen. Und Therapie braucht auch ganz ein anderes Setting, als es das Berufsumfe­ld bietet.“Gräf sieht die Arbeitsmed­iziner eher als Drehscheib­e, um Probleme zu erkennen und Betroffene weiterzuve­rmitteln – sei es an die Schuldnerb­eratung, das Männerbüro oder auch einen Psychother­apeuten.

Nicht die seelischen, sehr wohl aber die gesundheit­lichen Probleme stehen für andere Betriebe im Mittelpunk­t. Das Tiroler Handelsunt­ernehmen MPreis hat sich vor einem Jahr ein Fitnessstu­dio ins eigene Haus geholt. Untergebra­cht ist es in der Bäckerei des Unternehme­ns mit 150 Mitarbeite­rn. „Gerade hier haben unsere Leute oft schwere körperlich­e Arbeit“, sagt Sprecherin Stefanie Graber. Durch Fitnesstra­ining in der Mittagspau­se oder nach der Arbeit vorzubeuge­n, sei da besonders wichtig. Nutzen können das Angebot auch die 750 Mitarbeite­r der nahen MPreisZent­rale. Die betreuten Trainingse­inheiten sind für Mitarbeite­r deutlich günstiger als sonst. Auch Ernährungs­beratung und Yogakurse zählen zum Angebot. Noch heuer wird um Physiother­apie erweitert.

„Auch die Firma profitiert.“

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Andrea Schober, Psychother­apeutin

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