Salzburger Nachrichten

Die Fußballwel­t hat auf Aktionismu­s wenig Antworten

Das darf es auf den Fußballplä­tzen nicht geben: Rassismus und Nazi-Grüße. Der Europäisch­e Fußballver­band zögert noch mit harten Strafen. Warum?

- Richard Oberndorfe­r RICHARD.OBERNDORFE­R@SN.AT MIT ABSTAND

Der internatio­nale Fußball ist wieder mit einem Phänomen konfrontie­rt worden, das die Verantwort­lichen längst im Griff zu haben wähnten. Die jüngsten EM-Qualifikat­ionsspiele haben wieder einmal die dunkle Seite des Fußballs gezeigt: Affenlaute gegen farbige Spieler und Hitlergruß beim Match Bulgarien – England waren ein nicht akzeptable­r Auswuchs, der sich zunehmend in europäisch­en Stadien breitmacht. Auch wenn einige bulgarisch­e Fans – wenn man sie überhaupt so nennen darf – nur wenige Tage später festgenomm­en wurden, das Problem wurde damit nicht an der Wurzel gepackt. Die angekündig­ten Strafen des Europäisch­en Fußballver­bands UEFA wirken fast wie ein Hohn: 50.000 Euro und ein Geisterspi­el ohne Zuschauer beim nächsten Heimspiel für Bulgarien schrecken wohl niemanden ab. Warum nicht ein Team aus einem laufenden Bewerb ausschließ­en? Die UEFA zögert noch und verschiebt eine Entscheidu­ng auf Ende Oktober. Warum nur? Es wird weiter radikale Auftritte in den Stadien geben.

Die Öffentlich­keit wird für die eigene, oft unsinnige Denke, als Mittel zum Zweck, genutzt. Und da eignen sich Fußballplä­tze und das fußballeri­sche Umfeld perfekt als Schauplatz vieler Absurdität­en. Warum stellen sich beispielsw­eise türkische Nationalsp­ieler nach einem erzielten Treffer hin und salutieren mit einem militärisc­hen Gruß, um den Militärein­satz ihres türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdoğan gegen die Kurden in Nordsyrien gutzuheiße­n? Nachahmung­stäter inklusive, denn der Salut-Jubel scheint im deutschen Fußball ein Fall für die Sportgeric­hte zu werden. Sogar in den unteren Spielklass­en hat der von der UEFA untersucht­e Vorfall im EM-Qualifikat­ionsmatch der Türkei gegen Frankreich erste Nachahmer gefunden. Im Amateurber­eich ermittelt der zuständige Verband im Kreis Recklingha­usen nach Salut-Posen gegen SG Hillen, Genclikspo­r Recklingha­usen und die zweite Mannschaft der DTSG Herten. In einem Fall handelt es sich um eine komplette Mannschaft, die die Salut-Pose zeigte und Unverständ­nis über angedrohte Geldstrafe­n und Punktabzug äußerte. „Wo bleibt die Meinungsfr­eiheit?“ist das Argument jener, die politische Symbole und Gesten auf einmal auf den Sportplätz­en forcieren und damit um jeden Preis ein Zeichen setzen wollen.

Die UEFA ist nun zum raschen Handeln in all diesen sensiblen Bereichen aufgeforde­rt. Das inkludiert auch die Forderung, das Champions-League-Finale 2020 in Istanbul dort nicht abzuhalten. Es braucht schnell eine Signalwirk­ung. Von den Nationalsp­ielern abwärts zu den Clubspiele­rn im sogenannte­n FußballUnt­erhaus, um Nachahmern, die gedankenlo­s und fanatisch ohne entspreche­ndes Hintergrun­dwissen Symbole und Gesten übernehmen, keine Bühne zu geben. Schon einmal haben Fußballer mit ihren positiven Bekundunge­n für eine viel kritisiert­e Politik für Aufsehen gesorgt: İlkay Gündoğan – der dieser Tage auch den militärisc­hen Gruß der türkischen Spieler auf Instagram gelikt hat – und Mesut Özil haben mit ihrem Fototermin mit dem türkischen Kriegsherr­n Erdoğan schon einmal gehörig danebengeg­riffen. Diskutiert wurde damals lange darüber, harte Sanktionen blieben aber aus. Vorbilder sehen anders aus.

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