Salzburger Nachrichten

Zwei Frauen erobern das All

Die Raumfahrt gilt als knallhart und war jahrzehnte­lang eine Männerdomä­ne. Nur wenige Frauen durften bislang aus der ISS aussteigen. Nun schreiben zwei Astronauti­nnen Weltraumge­schichte.

- SN, dpa

Die Männer der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS müssen drinnenble­iben: Die US-Astronauti­nnen Christina Koch und Jessica Meir reparieren bei einem historisch­en Außeneinsa­tz einen kaputten Stromregle­r. Ein Routine-Einsatz, doch die Besatzung der ISS sorgte am Freitag für besondere Schlagzeil­en: Es ist das erste Mal, dass zwei Frauen gemeinsam für einen Außeneinsa­tz im Weltall eingeteilt sind.

Auch die US-Raumfahrtb­ehörde NASA nennt den „Fraueneins­atz“eine Weltsensat­ion. Dass Frauen ins All fliegen, ist längst nichts Neues mehr. Aber bei den Außeneinsä­tzen hapert es bisher mit der Gleichbere­chtigung: Mehr als 200 Männer durften bereits für diese Arbeiten aus der ISS aussteigen. Jedoch folgten ihnen nur rund ein Dutzend Frauen – immer in Begleitung eines Kollegen. Koch und Meir brechen nun als erstes Frauenduo in diese Männerdomä­ne ein.

Warum hat das so lange gedauert?

Bereits 1963 flog die sowjetisch­e Kosmonauti­n Walentina Tereschkow­a in den Weltraum – und kämpfte trotz des Erfolgs weiter mit Vorurteile­n ihrer männlichen Kollegen. Frauen seien nicht so stark und durchhalte­fähig wie die Kosmonaute­n, hieß es jahrelang. Der russische Raumfahrer Pawel Winogradow betonte noch vor wenigen Jahren: „Das Arbeiten im All ist körperlich schwere Arbeit – selbst für starke Männer.“Das sei Unsinn, sagten Koch und Meir bei ihren Vorbereitu­ngen zu ihrem historisch­en Außeneinsa­tz. „Wir denken in unserer täglichen Arbeit eigentlich gar nicht darüber nach, ob die Arbeiten von einem Mann oder einer Frau gemacht werden“, meinte Meir. Frauen absolviert­en immer wieder problemlos solche Aufgaben.

Die erste Raumfahrer­in auf einem Außeneinsa­tz war 1984 Swetlana Sawizkaja aus der damaligen Sowjetunio­n, den Rekord hält die Amerikaner­in Peggy Whitson mit zehn All-Spaziergän­gen. Einmal war der Astronauti­nneneinsat­z schon gescheiter­t, weil die NASA nicht ausreichen­d Raumanzüge in kleinen Größen hatte. Erst Monate später wurde ein zweiter Versuch angesetzt.

Die Außenarbei­ten rund 400 Kilometer über der Erde sind für alle extrem anstrengen­d. Stundenlan­g hängen die Raumfahrer in der Schwerelos­igkeit in ihren klobigen Anzügen im All.

Die lebensgefä­hrliche Arbeit ist auch extrem schweißtre­ibend. Nach Angaben der NASA verbrennt ein Raumfahrer bei dem mehrstündi­gen Einsatz deutlich mehr als 2000 Kilokalori­en – ähnlich viel wie bei einem Marathonla­uf.

Nachholbed­arf hat vor allem Europa, sagt die Wissenscha­fterin Insa Thiele-Eich, die im Rahmen der privaten Initiative „Die Astronauti­n“für einen Flug zur ISS trainiert. „Dass es erst jetzt zu diesem Außeneinsa­tz von zwei Frauen kommt, liegt daran, dass es deutlich weniger Astronauti­nnen gibt.“Besonders russische Raumfahrte­xperten klagten jahrelang über zu wenig Bewerbunge­n von Frauen.

Winogradow, der als Kommandant auf der ISS arbeitete, nennt auch einen Grund dafür: „Es ist ein schwerer Beruf, der von einem fordert, sich für Jahre von der Familie loszureiße­n. Nicht jede Frau will das machen.“Thiele-Eich, Meteorolog­in und Mutter, sieht das nur als Vorwand: In den USA sei das kein Problem. „Beim Training dort zuckt niemand mit der Wimper, wenn ich erzähle, dass ich drei Kinder habe. Das sieht in Deutschlan­d leider anders aus.“

Die NASA achtet seit Jahren darauf, gleich viele Männer wie Frauen in ihren Astronaute­n-Korps zu haben. 1983 startete Sally Ride als erste Amerikaner­in ins All, ein Jahr später mit Anna Fisher auch die erste Mutter. Mehr als 40 weitere Amerikaner­innen folgten.

Für die Europäisch­e Raumfahrtb­ehörde (ESA) waren weit weniger Raumfahrer­innen im Einsatz: Als bisher letzte ESA-Astronauti­n war 2014 die Italieneri­n Samantha Cristofore­tti auf der ISS. Zuvor betreute 2001 Claudie Haigneré aus Frankreich zahlreiche Experiment­e auf der Raumstatio­n, zudem war noch eine Britin im All.

Zurzeit will Christina Koch neben dem Außeneinsa­tz zusätzlich weibliche Raumfahrtg­eschichte schreiben: Koch soll rund 330 Tage im All bleiben.

Keine Frau vor ihr hat so eine lange Zeit ohne Unterbrech­ung im Weltraum verbracht.

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BILD: SN/NASA Das Bild des Tages der NASA: Für die studierte Elektroing­enieurin Christina Koch ist es bereits der vierte Außeneinsa­tz.
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BILD: SN/APA/AFP/NASA/HO Die Astronauti­nnen Christina Koch und Jessica Meir.

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