Das Rätsel von Ruinerwold
Die Polizei geht davon aus, dass sechs junge Menschen gegen ihren Willen auf einem Gehöft in den Niederlanden festgehalten wurden. Sie können lesen und schreiben, die Kommunikation mit ihnen ist laut Polizei aber schwierig.
Im mysteriösen Fall um die isolierte Familie auf einem Bauernhof in den Niederlanden konzentrieren sich die Ermittlungen nun auf das Motiv. Vieles weist darauf hin, dass der Donnerstagabend festgenommene Vater eine sektenähnliche Gemeinschaft errichten wollte. Eine Sondereinheit von 30 Beamten ermittelt. Sie versuchen, auch mit Hilfe von Psychologen festzustellen, was auf dem abgelegenen Hof in Ruinerwold seit 2010 geschehen ist. Der Vater sei ansprechbar, und auch mit den Kindern könne man kommunizieren, sagte ein Sprecher der Polizei am Freitag in der Provinz Drenthe.
Fünf seiner nun erwachsenen Kinder waren nach Aussagen der Polizei bei der Festnahme dabei und hätten „sehr heftig reagiert“. Sie sollen den Vater nach einem Schlaganfall vor einigen Jahren versorgt haben. Wie der ebenfalls festgenommene 58-jährige Österreicher wird auch der Vater der Freiheitsberaubung verdächtigt. Den Männern werden auch Misshandlung und Geldwäsche vorgeworfen. Auf dem Grundstück war eine große Summe Bargeld gefunden worden, deren Herkunft unklar ist. Der Österreicher hatte den Hof gemietet, gewohnt hat er dort aber wohl nicht.
Die Polizei geht davon aus, dass die sechs Kinder, die heute 18 bis 25 Jahre alt sind, gegen ihren Willen festgehalten wurden. Bisher gibt es aber nur wenige Informationen über das Leben auf dem Hof. Die Familie hat neun Jahre lang in einem „abschließbaren Raum“gewohnt, der in kleine Kammern aufgeteilt war. Der Raum war hinter einem Schrank verborgen. „Der abgeschlossene Raum war deutlich dazu gedacht, die Außenwelt draußen zu halten“, sagte die stellvertretende Polizeichefin in Drenthe, Janny Knol, im niederländischen Fernsehen. Die Polizei geht davon aus, dass die Mutter der Familie schon 2004 gestorben ist.
Die vier Mädchen und zwei Buben waren zwar ab und zu im Garten, das Gelände haben sie aber nie verlassen. Sie können lesen und schreiben, auch wenn sie nie zur Schule gegangen sind. Der Kontakt zu ihnen sei nicht einfach, sagte die Polizeichefin. „Dass sie nicht unbedingt dasselbe Verhalten zeigen wie wir, ist deutlich.“
Warum die Kinder festgehalten wurden, ist noch unklar. Nach der eingehenden Durchsuchung des Hofs und mehreren Vernehmungen schließt die Polizei aber nicht aus, dass die Hintergründe in einer Art Sekte liegen könnten. Indessen bestätigte die Vereinigungskirche, die auch als Moon-Sekte bekannt ist, am Freitag, dass der festgenommene Vater Mitte der 1980er-Jahre kurz Mitglied der Bewegung gewesen sei und „an psychischen Problemen litt“. Im Jahr 1987 sei er aus der Organisation ausgetreten.
Sein Bruder Derk sei dagegen ein langjähriges Mitglied. Dieser habe aber schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt. Die Vereinigungskirche zitierte den Mann wie folgt: „Ich habe seit 1984 nichts mehr von meinem Bruder gehört.“
In der Aussendung hieß es zudem, man bestätige, dass der 58jährige Österreicher „nicht mit der Vereinigungskirche verbunden und kein Mitglied“sei.
Außerdem gibt es noch drei weitere, ältere Kinder, die bereits vor einigen Jahren geflohen sein sollen. Das sagen andere Verwandte – und das bestätigt auch die Polizei. Doch bisher haben sie sich noch nicht zu Wort gemeldet.
Roger de Groot, Bürgermeister der Kommune, sagte: „Es ist ein schwieriges Puzzle und wir haben noch nicht alle Teile.“Das Gesamtbild wird aber keine holländische Landidylle zeigen.
Abschließbarer Raum war in mehrere Kammern unterteilt