Immer die Radfahrer
Weil hier unlängst vom Winterpalais in der Wiener Himmelpfortgasse die Rede war: Wenn dort demnächst ÖVP und Grüne ihre vertiefenden Sondierungsgespräche fortsetzen (es heißt Sondierungsgespräche, da vertiefende Gipfelgespräche ja ein Unding wären), wenn also ÖVP und Grüne sich dort in Sondierungen vertiefen werden, um den Gipfel ihrer Zuneigung zu erklimmen, dann werden die Radfahrer eine große Rolle spielen. Und zwar nicht nur deshalb, weil sie ein wahrer Klimasegen sind (würden sie nicht dauernd ausatmen, aber dazu später). Nein, sondern auch wegen der Sache in Turin. Die geht so:
Im Schlachtenbildersaal des Winterpalais hängen, wie der Name schon sagt, riesige Schlachtenbilder. Sie zeigen die größten Siege des einstigen Hausherrn Prinz Eugen – von Zenta bis Höchstädt, von Belgrad bis Malplaquet. Der Feldherr hatte diese Historienschinken einst in seinem Wartesalon hängen, um die Besucher mit seinem militärischen Ruhm zu beeindrucken. Napoleon war so neidig auf diese Bilder, dass er sie seinerzeit nach Paris verschleppen ließ, doch irgendwann kamen sie wieder zurück und schmückten das im Winterpalais untergebrachte Finanzministerium.
Das größte der Gemälde zeigt die Schlacht um Turin im Jahr 1706, aber auch noch etwas anderes, einigermaßen Erstaunliches: einen Radfahrer. Mitten im Schlachtgetümmel entkommt ein kaiserlicher Melder auf seinem Fahrrad den Verfolgern. Nun gab es 1706 noch längst keine Fahrräder, und man fragt sich daher, wie um Himmels willen ein Radfahrer in die Schlacht von Turin kam. Die Antwort lautet, dass ein vom bekannt sparsamen Finanzministerium angestellter Restaurator der Schlachtenbilder über die Höhe oder vielmehr Tiefe seines Honorars so empört war, dass er aus Rache den anachronistischen Pedalritter zur Armee des Prinzen Eugen dazumalte. Wo er bis heute zu besichtigen ist.
Das kommt davon, wenn man vertiefte Honorare zahlt. Die Auswirkungen auf die vertiefenden Sondierungsgespräche zwischen Türkis und Grün liegen auf der Hand. Denn sie werden trotz der pazifistischen Ausrichtung der Grünen im Schlachtenbildersaal stattfinden. Das Winterpalais hätte zwar noch einen zweiten Raum von passender Größe, der heißt aber Blauer Salon und scheidet damit aus naheliegenden Gründen aus. Also Schlachtenbildersaal.
Der Radfahrer von Turin wird die Sondiererinnen und Sondierer sicherlich zu einer klimaadäquaten Umkehr in der Verkehrspolitik bewegen, zumal es in der kaiserlichen Armee zu Prinz Eugens Zeiten gang und gäbe war, Zöpfe zu tragen. Die Zukunft des Planeten gehört zweifellos dem Radfahren, wobei es nur das eingangs angeschnittene Problem des Ausatmens zu lösen gilt. Denn Studien haben ergeben, dass vier Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes durch das menschliche Ausatmen zustande kommen. Vier Prozent, das klingt nicht sehr viel, entspricht aber dem CO2-Ausstoß des Flugverkehrs. Wer A wie Flugscham sagt, muss daher auch B wie Nicht mehr ausatmen sagen.
Das ist leichter gesagt als getan, vor allem für Radfahrer. Aber dazu sind vertiefende Sondierungsgespräche ja da, um solche diffizilen Probleme tiefschürfend zu analysieren und zu lösen. Diese Lösung lautet CO2-Abgabe. Das ist keinesfalls eine Steuererhöhung, sondern wird als Lenkungsabgabe konstruiert. Das heißt: In dem Ausmaß, in dem das Ausatmen besteuert wird, erfolgt gleichzeitig eine steuerliche Entlastung des Einatmens. Der Lenkungseffekt ist erreicht, wenn die Radfahrer wie auch die sonstigen Menschen nur noch ein-, aber nicht mehr ausatmen.
Sobald diese Einigung im Schlachtenbildersaal gelungen ist, können wir alle tief durchatmen.