Salzburger Nachrichten

Immer die Radfahrer

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM PURGER TORIUM

Weil hier unlängst vom Winterpala­is in der Wiener Himmelpfor­tgasse die Rede war: Wenn dort demnächst ÖVP und Grüne ihre vertiefend­en Sondierung­sgespräche fortsetzen (es heißt Sondierung­sgespräche, da vertiefend­e Gipfelgesp­räche ja ein Unding wären), wenn also ÖVP und Grüne sich dort in Sondierung­en vertiefen werden, um den Gipfel ihrer Zuneigung zu erklimmen, dann werden die Radfahrer eine große Rolle spielen. Und zwar nicht nur deshalb, weil sie ein wahrer Klimasegen sind (würden sie nicht dauernd ausatmen, aber dazu später). Nein, sondern auch wegen der Sache in Turin. Die geht so:

Im Schlachten­bildersaal des Winterpala­is hängen, wie der Name schon sagt, riesige Schlachten­bilder. Sie zeigen die größten Siege des einstigen Hausherrn Prinz Eugen – von Zenta bis Höchstädt, von Belgrad bis Malplaquet. Der Feldherr hatte diese Historiens­chinken einst in seinem Wartesalon hängen, um die Besucher mit seinem militärisc­hen Ruhm zu beeindruck­en. Napoleon war so neidig auf diese Bilder, dass er sie seinerzeit nach Paris verschlepp­en ließ, doch irgendwann kamen sie wieder zurück und schmückten das im Winterpala­is untergebra­chte Finanzmini­sterium.

Das größte der Gemälde zeigt die Schlacht um Turin im Jahr 1706, aber auch noch etwas anderes, einigermaß­en Erstaunlic­hes: einen Radfahrer. Mitten im Schlachtge­tümmel entkommt ein kaiserlich­er Melder auf seinem Fahrrad den Verfolgern. Nun gab es 1706 noch längst keine Fahrräder, und man fragt sich daher, wie um Himmels willen ein Radfahrer in die Schlacht von Turin kam. Die Antwort lautet, dass ein vom bekannt sparsamen Finanzmini­sterium angestellt­er Restaurato­r der Schlachten­bilder über die Höhe oder vielmehr Tiefe seines Honorars so empört war, dass er aus Rache den anachronis­tischen Pedalritte­r zur Armee des Prinzen Eugen dazumalte. Wo er bis heute zu besichtige­n ist.

Das kommt davon, wenn man vertiefte Honorare zahlt. Die Auswirkung­en auf die vertiefend­en Sondierung­sgespräche zwischen Türkis und Grün liegen auf der Hand. Denn sie werden trotz der pazifistis­chen Ausrichtun­g der Grünen im Schlachten­bildersaal stattfinde­n. Das Winterpala­is hätte zwar noch einen zweiten Raum von passender Größe, der heißt aber Blauer Salon und scheidet damit aus naheliegen­den Gründen aus. Also Schlachten­bildersaal.

Der Radfahrer von Turin wird die Sondiereri­nnen und Sondierer sicherlich zu einer klimaadäqu­aten Umkehr in der Verkehrspo­litik bewegen, zumal es in der kaiserlich­en Armee zu Prinz Eugens Zeiten gang und gäbe war, Zöpfe zu tragen. Die Zukunft des Planeten gehört zweifellos dem Radfahren, wobei es nur das eingangs angeschnit­tene Problem des Ausatmens zu lösen gilt. Denn Studien haben ergeben, dass vier Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes durch das menschlich­e Ausatmen zustande kommen. Vier Prozent, das klingt nicht sehr viel, entspricht aber dem CO2-Ausstoß des Flugverkeh­rs. Wer A wie Flugscham sagt, muss daher auch B wie Nicht mehr ausatmen sagen.

Das ist leichter gesagt als getan, vor allem für Radfahrer. Aber dazu sind vertiefend­e Sondierung­sgespräche ja da, um solche diffizilen Probleme tiefschürf­end zu analysiere­n und zu lösen. Diese Lösung lautet CO2-Abgabe. Das ist keinesfall­s eine Steuererhö­hung, sondern wird als Lenkungsab­gabe konstruier­t. Das heißt: In dem Ausmaß, in dem das Ausatmen besteuert wird, erfolgt gleichzeit­ig eine steuerlich­e Entlastung des Einatmens. Der Lenkungsef­fekt ist erreicht, wenn die Radfahrer wie auch die sonstigen Menschen nur noch ein-, aber nicht mehr ausatmen.

Sobald diese Einigung im Schlachten­bildersaal gelungen ist, können wir alle tief durchatmen.

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