Debatte über die Zukunft des Essens
Lojze Wieser wandert unter anderen Sternen, Sepp Schellhorn klagt Tripadvisor, Evelyn Brandstätter will Gäste entschleunigen und Roland Essl erzählt, wie man glücklich isst.
Gleich geht es um die Rettung der Gastronomie. Und zwar jener, wie sie die Alten noch kennen. Also um Wirtshäuser, die noch wie Parlamente funktionieren, um Restaurants, in denen die Kochkunst als Hochamt zelebriert wird und Cafés, die diesen Namen noch verdienen. Um all das und noch einiges mehr geht es auch in dem Buch „Teufelsküche“, das gleich im SN-Saal präsentiert wird. Nach kurzen Lesungen wird diskutiert. Mit dem Verleger Lojze Wieser, der Café-Bazar-Chefin Evelyn Brandstätter und den beiden Köchen Roland Essl und Sepp Schellhorn, der auch noch Politiker ist. Nach dem Kapitel „Essenz vom Sojakörnchen“, in dem seltsame Ernährung samt sinnloser Diäten thematisiert wird, beschwört Roland Essl den gesunden Menschenverstand: „Wir sollten beim Kochen aus dem schöpfen, was unser alpiner Lebensraum zur Verfügung stellt. Ich koche am liebsten mit Beeren. Fleisch grillen ist langweilig. Und Österreich ist ein Land der Beilagen. Bei uns machen die Beilagen das Gericht.“Ähnlich sieht das Schellhorn, der in seinem Goldegger Restaurant „Hecht“weitgehend mit Zutaten auskommt, die in einem Umkreis von 120 Kilometern gedeihen. Warum er sich auf 120 Kilometer festgelegt hat? „Weil dort der nächste Spargel ist. Ich liebe Spargel“, antwortet er. Prinzipiell sieht er aber schwarz für unsere Wirtshäuser: „Die werden sterben. Allein schon wegen der Freizeitindustrie. Zu diesen Zeiten wird in zehn Jahren kein Österreicher mehr arbeiten.“
Was Diäten betrifft, hat Evelyn Brandstätter einen Wettbewerbsvorteil. „Ich danke meinem Stoffwechsel“, sagt sie. Und dass jeder Tag ohne Torte ein verlorener Tag sei.
Lojze Wieser ist heute besonders entspannt. Peter Handke, sein Freund und früherer Autor im Wieser Verlag, wurde vor ein paar Tagen mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Die Atmosphäre ist natürlich würdevoll, als das zur Sprache kommt. Fehlt nur noch Denis Scheck, denkt sich der Literaturfreund. Oder Saša Stanišić, denkt sich der Freund von Freundschaftsspielen zwischen Simmering und Kapfenberg.
Wieser aber erinnert nur zärtlich an seine Mutter. An ihre Rezepte, ihre Friedfertigkeit und Fürsorge. „Mütter sind ja immer da“, erzählt er sanft. „Da ist die Gefahr groß, dass man gar nicht mehr an sie denkt.“So habe er in seinem ersten Buch über das Essen mit dem Titel „Die Zunge reicht weiter als die Hand“vergessen, sie zu erwähnen. „Die Großeltern? Ja. Papa? Ja? Mama? Nein. Oje“, erinnert er sich und rauft sich die Haare. Als sie ihm das vorhielt, veröffentlichte er drei Jahre später unter Mithilfe von Peter Handke (da ist er wieder) das Buch mit dem Titel „Kochen unter anderen Sternen – Geschichten von entlegenen Speisen“. Darin erzählt er Geschichten von 90 Rezepten seiner Kindheit, die er nun wie seine Mama unsterblich gemacht hat.
Nach der Lesung über digitale Bewertungsplattformen verriet Sepp Schellhorn, dass er gerade mitten in einer Klage gegen Tripadvisor stecke. Er will mit seinen Betrieben dort nicht mehr aufscheinen. Auf dieser Plattform kann man Lokale anonym bewerten, ohne überhaupt dort gewesen zu sein. Was natürlich Tür und Tor für Vernaderer öffnet. Das Fass zum Überlaufen brachte bei Schellhorn, dass sein Lokal auf dieser Plattform beschimpft wurde, nur weil er Politiker ist. „Alle dürfen offenbar anonym bleiben. Nur wir Gastronomen nicht“, sagt Schellhorn. Auf das Schreiben seines Anwalts an die Zentrale von Tripadvisor in Needham (Massachusetts) wurde nicht reagiert. Jetzt erhalte er Schützenhilfe von der österreichischen Datenschutzbehörde.
Roland Essl erinnert sich bei diesem Thema, wie er nach der Übernahme anfangs allein im Weiserhof saß, weil er sich seine Gäste selbst ausgesucht habe. Er weiß, dass man sich angenehme Gäste auch „erarbeiten“muss. Deshalb, so Essl, wollte er auch nie eine Haube haben. „Sonst schickt dir auf einmal der Gault Millau die Gäste, die meine Stammgäste mit ihren Ansprüchen vertreiben.“Er habe angekündigte Einträge zu verhindern gewusst, indem er die 599 Euro für das Platzieren eines angebotenen Fotos beim Testbericht auf Anraten seines Rechtsanwalts nicht bezahlt habe. Ähnlich sei es im Haubenrestaurant „Brandstätter“von Evelyns Mann Tobias zugegangen. „Wir haben den Betrag auch nicht überwiesen. Schon war die zweite Haube weg.“
Zum Schluss war man sich einig, dass sich in der Gastronomie alle mehr entspannen sollten. Die Gäste wie die Mitarbeiter. Von Bampo aus Kenia, der etwa den Abwasch im Café Bazar besorgt, kann man etwa viel lernen. „Da kann der Stress noch so groß sein. Bampo wird nicht schneller“, sagt Evelyn. Oder anders gesagt: In der Ruhe liegt die Kraft. SN-Card-Inhaber erhalten das Buch „Teufelsküche“von Peter Gnaiger (234 Seiten, Hardcover) signiert um 21 Euro. Erhältlich im Foyer der „Salzburger Nachrichten“, im Shop unter shop.sn.at oder per Telefon: +43 662/8373-222.