Was ist Autismus?
Um sich für einen Lieblingsclub zu entscheiden, muss er aber zuerst alle Vereine im Stadion erleben.
Jason ist anders. Auf seiner eigenen Geburtstagsfeier bleibt er lieber allein in seinem Zimmer und sortiert die Legosteine nach Farben und Formen, während die Gästekinder draußen im Garten spielen. Wenn ihn jemand umarmt oder küsst, fühlt er sich bedrängt. Und wenn die Spaghetti mit der Soße vermischt werden, kann das schnell im Schreikrampf enden. Jason hat das Asperger-Syndrom, genau wie die Klimaschützerin Greta Thunberg aus Schweden. Asperger ist eine Form von Autismus. Was das ist, lest ihr im Kasten rechts neben dem Bild. Eine große Leidenschaft von Jason ist Fußball. Als er sechs Jahre alt war, besuchte er gemeinsam mit seinem Vater und seinem Opa das erste Mal ein Fußballstadion. Bayer Leverkusen spielte gegen den FC Valencia in der Champions League. Das spannende Match, das große Stadion, die lauten Fans: All das konnte Jason nicht davon überzeugen, Fan von einer der beiden Mannschaften zu werden – oder überhaupt Fußballfan zu werden. Für Jason war das nur logisch, denn wie sollte er Fan von etwas werden, wenn er bis dahin nur zwei Vereine kannte? Und was bedeutet es eigentlich, ein Fan zu sein, wie fühlt sich das an? Entschlossen wandte sich Jason an seinen Vater Mirco von Juterczenka: „Um zu wissen, von welcher Mannschaft ich Fan werden will, muss ich erst alle sehen.“Damit begann ein jahrelanges Projekt von Vater und Sohn, das die beiden quer durch Europa führte. Und das bis heute. Auf der Suche nach Jasons Lieblingsverein besuchen sie so gut wie jedes Wochenende Fußballspiele von verschiedenen Vereinen.
Dabei hat es eine Mannschaft ganz schön schwer, Jason als Fan zu gewinnen: Der künftige Lieblingsverein muss jede Menge Bedingungen erfüllen. In einem Fernsehinterview mit dem Hessischen Rundfunk erklärte er zum Beispiel einmal, dass Mannschaften, die vor Beginn des Spiels einen Kreis bilden, niemals die Chance hätten, seine Lieblingsmannschaft zu werden. Ein weiteres Tabu sind Maskottchen, die als Stofftiere verkleidet auf dem Feld herumrennen. „Das geht gar nicht“, sagt Jason.
Es kann also sein, dass Jason nie einen Lieblingsverein finden wird. Darum geht es bei den Reisen mit seinem Vater aber auch nicht ausschließlich. Seit 2012 fahren sie von einem Stadion zum nächsten. In dieser Zeit haben die beiden viel erlebt und vor allem viel gelernt: Jasons Asperger-Syndrom wird von anderen Menschen oft nicht akzeptiert. Viele wissen nicht, wie sie mit ihm umgehen sollen.
Die hartnäckige Suche nach dem Lieblingsverein brachte Jason und seinem Vater viel Aufmerksamkeit. Die nutzen sie, um über Autismus aufzuklären. Ihre Erlebnisse aus dem Fußballstadion haben sie in ihrem Buch „Wir Wochenendrebellen“aufgeschrieben. Außerdem betreiben die beiden einen Podcast namens „Radiorebell“. Jason und sein Vater wollen zeigen, dass man unter Autismus nicht leiden muss, sondern dass es auch Vorteile haben kann, autistisch zu sein. Eine „Heilung“käme für Jason ohnehin nicht infrage, wie er im Buch beschreibt: „Gäbe es ein Medikament, mit dem man das AspergerSyndrom heilen könnte, müsste ich nicht lange überlegen, um zum Schluss zu kommen, es nicht zu nehmen.“