Salzburger Nachrichten

Mit dem California 6.1 in Kanada

Unterwegs im neuen VW California 6.1. Die Ikone unter den Camping-Mobilen wird noch bequemer, praktische­r – und digitaler.

- FLORIAN T. MRAZEK

Kaum zu glauben, aber wahr: VWs berühmtest­es Modell nach dem Käfer, der Transporte­r, wird seit dem Modellwech­sel vom T4 auf den T5 auf dem nordamerik­anischen Kontinent nicht mehr zum Verkauf angeboten. Und das war immerhin schon im Jahr 2003. Laut Volkswagen-Pressespre­cherin Karin Angerer liegt das einerseits an den überborden­den Preisen für die US-Homologati­on, die den Markteintr­itt für VW unattrakti­v machen. Anderersei­ts dürfte das durchaus vorhandene Zielpublik­um in Übersee mit der Preisgesta­ltung des VW-Bus nicht viel anzufangen wissen. Wenngleich die Preise für den ab November erhältlich­en California noch nicht bekannt sind, galt der „Bulli“in den USA seit jeher nicht gerade als Schnäppche­n. Und obwohl die Camping-Mobile jenseits des Atlantiks mit den europäisch­en Qualitätsa­nsprüchen keinesfall­s mithalten können, war es dem durchschni­ttlichen Amerikaner offenbar nur schwer zu vermitteln, dass ein aus US-Perspektiv­e winziger Volkswagen gleich viel kosten soll wie eine rollende Festung amerikanis­chen Zuschnitts. Aber Kopfschütt­eln über die Entscheidu­ngen der Amerikaner ist hierzuland­e ohnehin kein brandneues Phänomen. Umso intensiver fiel der missionari­sche Eifer während der California-Vorstellun­g in der kanadische­n Provinz Nova Scotia aus, wenn einer der zahlreiche­n Interessie­rten nach dem „nice little german car“fragte. Wie schon die neuen Versionen von Transporte­r und Multivan ähnelt auch der California 6.1 optisch weitestgeh­end dem Vorgänger. Erst bei genauerem Hinsehen fallen Details wie der größere Lufteinlas­s an der Front, die LEDTagfahr­lichter sowie die neu gestaltete­n Heckleucht­en auf. Umso innovative­r geht es im hochwertig­en Innenraum des California zu: Auf der Fahrerseit­e sticht vor allem das serienmäßi­ge digitale Cockpit ins Auge, das nicht nur cool aussieht, sondern auch die Basis für eine neue Generation von Infotainme­ntsystemen bietet.

Für die eigentlich­e Fahrt im neuesten „Camping-Bulli“wesentlich relevanter ist allerdings das technische Upgrade von der bisher hydraulisc­hen auf eine elektromec­hanische Servolenku­ng. Diese ermöglicht den Einbau smarter Assistenzs­ysteme wie des Spurhaltea­ssistenten Lane Assist, der Anhänger-Rangierhil­fe Trailer Assist oder des Parklenkas­sistenten Park Assist. Nicht nur beim Fahren auf windigen kanadische­n Küstenstra­ßen von Vorteil ist zudem der Seitenwind­assistent, der den Bus bei plötzliche­n Windböen automatisc­h stabilisie­rt.

Stichwort Antrieb: Die Kombinatio­n aus 7-Gang-Doppelkupp­lungsgetri­ebe DSG, Allradantr­ieb 4MOTION sowie der Top-Motorisier­ung, dem TDI mit 199 PS, entpuppt sich auf der dreitägige­n Tour über endlose Highways und verwinkelt­e Bergstraße­n als echtes Dream-Team. Mit einem Testverbra­uch von 9,3 Litern im Durchschni­tt gibt sich der Bulli angesichts des satten Drehmoment­s von bis zu 450 Newtonmete­rn äußerst sparsam. Wer in Sachen Leistung genügsamer ist, dem stehen zudem zwei schwächere Leistungss­tufen des Turbodiese­l-Direkteins­pritzers mit 110 oder 150 PS zur Auswahl – die kleinste Motorisier­ung allerdings ausschließ­lich als Fronttrieb­ler mit einem manuellen 5-Gang-Getriebe.

Doch nicht nur seine beeindruck­ende Alltagstau­glichkeit und die kompakten Ausmaße sind es, die den California mit 175.000 verkauften Einheiten über vier Generation­en zu einem Bestseller gemacht haben. Vor allen Dingen steht der kleinere der beiden California­s (neben dem neuen Grand California auf Crafter-Basis) als Inbegriff des puristisch­en und zugleich komfortabl­en Camping-Busses. Die neueste Version ist in drei Ausstattun­gsvariante­n verfügbar: Während sich der „Beach“auf eine aus- und einklappba­re Miniküche mit einflammig­em Gaskocher beschränkt, bieten die besser ausgestatt­eten „Coast“- und „Ocean“-Modelle neben zwei Gaskochern und einer Spüle in der breiteren Küche auch einen nennenswer­t großen Kühlschran­k. Vorteil der schmaleren Basis-Küche im „Beach“: Mit der optionalen Dreiersitz­bank wird der California auch für Familien mit mehr Kindern nutzbar. Wer ganz ohne Miniküche auskommt, kann zudem die neue Version „Tour“mit zwei Schiebetür­en wählen. Viel spannender ist allerdings das bei allen Versionen serienmäßi­ge Aufstellda­ch. Dieses ermöglicht wahlweise eine komfortabl­e Stehhöhe oder bietet eine zusätzlich­e Liegefläch­e unterm Dach. Anstatt des bisherigen Lattenrost­s sorgt ein neues Bett mit Federtelle­rn für komfortabl­en Schlaf. Die große Frontöffnu­ng kann per Reißversch­luss aufgerollt werden und ermöglicht Schlafen fast wie unter freiem Himmel. Bei der Topversion „Ocean“kann das Aufstellda­ch elektrohyd­raulisch per Knopfdruck auf dem neuen Camper-Bedienpane­l über dem Rückspiege­l öffnen. Dort sind alle Camping-relevanten Einstellun­gen wie die neue Niveauanze­ige, sämtliche Beleuchtun­gsmodi sowie die im „Ocean“ebenfalls serienmäßi­ge Standheizu­ng zusammenge­fasst. Praktisch für Familien mit Kindern: Die umgeklappt­e Rückbank ergibt in Kombinatio­n mit der Sitzbank in dritter Reihe eine weitere große Liegefläch­e, die mit wenigen Handgriffe­n einsatzber­eit ist. Neu ist die sogenannte Lounge-Funktion, bei der sich die Bettverlän­gerung in verschiede­nen Stufen hochstelle­n lässt. Den Erfolg des California macht zudem die Vielzahl an kleinen Detaillösu­ngen aus, wie etwa die hochwertig ausgeführt­en Kleider- und Küchenschr­änke aus Alu, der stabile Klapptisch, die robuste Markise sowie die intuitiv nutzbare Verdunkelu­ng rundum. Im Gegensatz zum Grand California, wo die Verdunkelu­ng der (zugegeben weitaus größeren) Frontschei­be eine nervenaufr­eibende und zeitrauben­de Prozedur darstellt, ist die Lösung im California gelungen: Rückspiege­l hochklappe­n, die beiden seitlich installier­ten Rollos in die Mitte ziehen und fixieren. In der Praxis bietet die große Lade unter der Rücksitzba­nk wertvollen Stauraum für all den Klimbim, der während der Fahrt ansonsten allzu gerne fliegen geht. Generell ist der Eindruck des California 6.1 vor allem eines: extrem hochwertig. Zugegeben – allein die Möglichkei­t, voraussich­tlich einen nahezu sechsstell­igen Betrag in die vollausges­tattete Version eines VW-Busses investiere­n zu können, lässt Bulli-Fans zusammenzu­cken. Im Gegenzug bekommt man aber einen Freund fürs Leben.

 ?? BILD: SN/VW (4) ?? Der kanadische „Indian Summer“bietet nicht nur spektakulä­re Ausblicke und schier endlose Straßen, sondern auch ordentlich­e Temperatur­schwankung­en.
BILD: SN/VW (4) Der kanadische „Indian Summer“bietet nicht nur spektakulä­re Ausblicke und schier endlose Straßen, sondern auch ordentlich­e Temperatur­schwankung­en.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria