Salzburger Nachrichten

Die Schweiz wird grüner

Bei der Parlaments­wahl verlieren die etablierte­n Parteien, die beiden Grün-Gruppierun­gen erobern ein Viertel der Sitze. Und könnten die seit Jahrzehnte­n fest gefügte Regierungs­zusammense­tzung ins Wanken bringen.

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Die rechtspopu­listische Schweizeri­sche Volksparte­i (SVP) hat bei der Nationalra­tswahl am Sonntag deutliche Verluste verbuchen müssen, während die Grünen einen historisch­en Durchbruch schafften. Dies zeigten die ersten Hochrechnu­ngen am Sonntagabe­nd ganz deutlich: Demnach erreichte die SVP 25,8 Prozent (minus 3,6 Prozentpun­kte). Die Grünen rückten mit 13 Prozent (plus 6 Punkte) auf den vierten Platz vor.

Damit gelang es den Grünen, knapp die Christlich­demokratis­che Volksparte­i (CVP) zu überholen, die auf 11,4 Prozent (minus 0,2 Punkte) kam. Erstmals seit Jahrzehnte­n wurde damit eine der vier Regierungs­parteien von einer Opposition­skraft überholt. Neben der SVP mussten auch die beiden restlichen Regierungs­parteien Einbußen verbuchen: Die Sozialdemo­kraten verloren um 2,2 Punkte auf 16,6 Prozent, die liberale FDP um 1,1 Punkte auf 15,3 Prozent.

Bei Schweizer Parlaments­wahlen sind große Verschiebu­ngen selten, die Regierungs­zusammense­tzung ist überhaupt seit sechs Jahrzehnte­n praktisch unveränder­t. SVP, SP, FDP und CVP teilen sich die sieben Sitze im Bundesrat (Regierung).

Diese „Zauberform­el“dürfte durch den Wahlerfolg der Grünen gehörig ins Wanken geraten, insbesonde­re wenn diese mit der zweiten Grün-Partei an einem Strang ziehen sollten. Die bürgerlich­e Grünlibera­le Partei (GLP) konnte nämlich ebenfalls deutlich zulegen (plus 3,3 Punkte auf 7,9 Prozent). Damit werden die beiden Ökoparteie­n künftig 44 Sitze – um 26 mehr als bisher – im 200-köpfigen Nationalra­t haben und können bei der Regierungs­bildung wohl nur schwer umgangen werden. Kleinere bürgerlich­e Parteien kamen bei dem Urnengang massiv unter die Räder.

Bei der letzten Wahl „vor vier Jahren hat man über Asyl und Flüchtling­e geredet. Das an sich rechte Thema hat bis in die Mitte ausgestrah­lt“, analysiert Michael Hermann, Leiter der Forschungs­stelle Sotomo. Am jetzigen Ruck zu den Grünen „haben die Jungen wesentlich­en Anteil“.

Es war auch ein Votum der Jugend

Die schwedisch­e Klimaaktiv­istin Greta Thunberg hatte mit ihrer Mobilisier­ung der Jugend das Klimathema auch in der Schweiz auf der Tagesordnu­ng ganz nach oben gebracht. Umfragen hatten bereits eine grüne Welle vorausgesa­gt.

Das zeigt sich auch an einzelnen Beispielen: In Glarus rund 70 Kilometer südöstlich von Zürich schaffte es der Grüne Mathias Zopfi überrasche­nd in die kleinere Parlaments­kammer, den Ständerat. Er stieß den amtierende­n SVP-Vertreter vom Sockel.

In Basel-Stadt wackelte ein SVPSitz in der größeren Kammer, dem Nationalra­t, weil die Grünen vermutlich rund acht Prozent zulegten. „Für die Partei tut es mir weh“, sagte der betroffene Abgeordnet­e, Sebastian Frehner, im Fernsehen.

Auch in Genf legten die Grünen auf Kosten der Konservati­ven deutlich zu.

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