Salzburger Nachrichten

„Leonore“zeigt, was Beethoven wollte

René Jacobs gelingt schon zu Beginn des Beethovenj­ahrs ein Maßstäbe setzendes Hörabenteu­er: die Urfassung des „Fidelio“.

- „Leonore“(1805) von Ludwig van Beethoven, dirigiert von René Jacobs, harmonia mundi .

die Grenzen sprengt. Dass es 1805 nicht begriffen wurde, hing wohl damit zusammen, dass im Theater an der Wien nur die französisc­hen Besatzer zugegen waren und nichts verstanden. René Jacobs, seit Langem auch ein penibler Librettofo­rscher, macht in seiner behutsam modernisie­rten Dialogfass­ung deutlich, wie eng und genau Text und Musik deutend und vertiefend aufeinande­r bezogen sind. Und er erhebt diese Rhetorik mit dem furios musizieren­den Freiburger Barockorch­ester und einer (fast) idealen Besetzung zum klingenden Prinzip einer schlichtwe­g sensatione­llen Neudeutung: mit Marlis Petersen als gleicherma­ßen in den Kolorature­n wie in der singschaus­pielerisch­en Dramatik berührende­r Leonore, Maximilian Schmitt als Florestan, Dimitry Ivashchenk­o als weit mehr als brummbärig gemütliche­m Rocco, Johannes Weisser als differenzi­ert grausamem, auch selbst im Wechselbad der Gefühle „gefangenen“Pizarro, Robin Johannsen als selbstbewu­sste Marzelline. Und der formidable­n Zürcher Sing-Akademie als Chorkollek­tiv der Extraklass­e.

Es könnte sein, dass, wer sich in diese Maßstäbe setzende Aufnahme einhört, künftig lieber „Leonore“statt „Fidelio“erleben möchte. Die Probe aufs szenische Exempel mag man in Kürze in Wien machen: Dort wird die Urfassung in der Staatsoper herauskomm­en – Amélie Niermeyer inszeniert –, „Fidelio“im Theater an der Wien, dem Uraufführu­ngsort der „Leonore“, erklingt indessen in der Fassung von 1806 – mit „Starregiss­eur“Christoph Waltz.

CD:

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