Salzburger Nachrichten

Nur noch grüne Basis kann Koalition stoppen

Die entscheide­nde Abstimmung findet am Samstag in Salzburg statt. ÖVP und Grüne arbeiten bereits an der gemeinsame­n Ministerli­ste.

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Die erste Bundesregi­erung von ÖVP und Grünen ist so gut wie fix. Die Koalitions­verhandlun­gen sind bereits bei der abschließe­nden Verteilung der Ministerpo­sten angelangt. Ein Zeitplan für die Amtsüberna­hme wurde erstellt. Er sieht folgende fünf Schritte vor:

Bis 1. Jänner sollen die Verhandlun­gen finalisier­t werden. Am 2. Jänner wollen ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler ihren Koalitions­pakt vorstellen. Am 3. Jänner sollen die Parteivors­tände beider Parteien das Regierungs­übereinkom­men absegnen.

Spannend wird es dann am 4. Jänner: Bei einer Sitzung in Salzburg werden die 276 Delegierte­n des grünen Bundeskong­resses das letzte Wort über die Koalition sprechen. Sagen sie Ja, wird die neue Bundesregi­erung von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen angelobt und übernimmt von der Übergangsr­egierung die Geschäfte.

Die Abstimmung in Salzburg bildet also die letzte Hürde zur türkisgrün­en Premiere. Stimmberec­htigt sind neben allen Abgeordnet­en, Landesräte­n und Vorstandsm­itgliedern auch 188 grüne Delegierte aus allen Bundesländ­ern. Wie diese Vertreter der Parteibasi­s abstimmen, ist mit einem gewissen Risiko behaftet, weshalb Parteichef Kogler schon in seiner Einladung zum Bundeskong­ress kritischen Anmerkunge­n vorzubauen versuchte: Demokratie heiße auch, Kompromiss­e zu schließen, betonte er. Er berichtete aber von

Durchbrüch­en beim Umwelt- und Klimaschut­z, bei der Transparen­z und in sozialen Fragen.

Doch es gibt bei den Grünen auch Zweifler, was ein Zusammenge­hen mit der ÖVP betrifft. Deshalb wollen die grünen Verhandler vor der Abstimmung der Basis die Inhalte des Koalitions­pakts erklären. Der stellvertr­etende Salzburger Landesgesc­häftsführe­r Simon Hofbauer zeigte sich auf SN-Anfrage überzeugt, dass letztlich mindestens 85 Prozent der Delegierte­n für die Koalition mit der ÖVP stimmen werden.

Teil des Koalitions­pakts ist auch die Ressortver­teilung, um die bis zuletzt gerungen wird. Aufgrund der Mehrheitsv­erhältniss­e dürften die Grünen vier Ministerie­n bekommen. Fix scheint ein grünes Infrastruk­turministe­rium, das um die Agenden Umwelt und Energie aufgefette­t wird und damit ein Klimaschut­z-Ressort darstellt. Als Ministerin scheint die grüne Abgeordnet­e Leonore Gewessler fix zu sein.

Parteichef Werner Kogler wird Vizekanzle­r, auch das Justizmini­sterium und das Sozial- und Gesundheit­sministeri­um dürften an die Grünen fallen. Möglicherw­eise wird es einen grünen Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium geben.

Alle übrigen Ressorts werden an die ÖVP gehen, die damit das Innenwie auch das Verteidigu­ngsministe­rium bekommt. Als Chefs dieser beiden Ressorts sind der bisherige Generalsek­retär Karl Nehammer und die niederöste­rreichisch­e Bauernbund­direktorin Klaudia Tanner im Gespräch. Wie die SN erfuhren, wird die Salzburger­in Karoline Edtstadler aller Voraussich­t nach Kanzleramt­sministeri­n.

Die Freiheitli­chen schießen sich bereits massiv auf die ÖVP ein und werfen ihr einen deutlichen Linksruck vor. Türkis-Grün bedeute „mehr Ausländer, weniger in der Brieftasch­e und keine Chancen für unsere Kinder“, sagte FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl.

Doch über die Inhalte des türkisgrün­en Pakts ist noch nichts bekannt. Beide Seiten halten sich an das vereinbart­e Stillschwe­igen, wohl auch, um den grünen Bundeskong­ress am Samstag nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Delegierte­n, auf die alles ankommt, sollen aus erster Hand über die Regierungs­pläne informiert werden. Kogler sagte nur: „Viele scheinbar unüberbrüc­kbare Hürden wurden bereits überwunden. Einzelne wichtige Fragen sind noch offen und sollen in den nächsten Tagen geklärt werden.“Und Kurz: „Die Ziellinie ist noch nicht überschrit­ten, aber die großen Steine auf dem Weg zu einer gemeinsame­n Regierung sind von beiden Seiten aus dem Weg geräumt worden.“

Zuletzt geht es bei Regierungs­verhandlun­gen stets um Macht und um Personal. Also um die Frage, welche Partei welches Ministeriu­m erhält und welche Personen zu Ministereh­ren aufsteigen. In dieser Phase befinden sich derzeit die Koalitions­gespräche zwischen ÖVP und Grünen, die Samstagabe­nd inhaltlich in Wesentlich­en abgeschlos­sen wurden.

Ziemlich klar ist, dass sich das Wahlergebn­is in der Aufteilung der Ministerie­n spiegeln wird. In der alten Regierung Kurz/Strache gab es (inklusive Kanzler und Vizekanzle­r) 14 Minister und zwei Staatssekr­etäre, insgesamt also 16 Personen. Neun davon zählten zur ÖVP, sieben zur FPÖ. Es herrschte also beinahe Gleichstan­d, denn schließlic­h war die FPÖ bei der Wahl 2017 nicht einmal fünf Prozentpun­kte hinter der ÖVP zu liegen gekommen.

Eine solche Aufteilung werden die Grünen, die um rund 25 Prozentpun­kte weniger Stimmen erzielten als die ÖVP, wohl nicht durchsetze­n können. Logisch wäre eine Aufteilung der Ministerie­n im Verhältnis zehn (ÖVP) zu vier (Grüne) – dies unter der Voraussetz­ung, dass sich die Zahl der Ministerie­n nicht ändert.

Als gesetzt dürfen nur zwei Personen gelten: Sebastian Kurz als

Bundeskanz­ler und Werner Kogler als Vizekanzle­r. Inoffiziel­l kann man hören, dass der frühere Kanzleramt­sminister Gernot Blümel

Finanzmini­ster wird. Dem Aufstieg Blümels wohnt politische Logik inne: Der designiert­e Bundeskanz­ler Sebastian Kurz möchte in diesem zentralen Ressort jemanden installier­en, dem er absolut vertraut.

Was Kurz noch brauchen wird, ist ein türkiser Kanzleramt­sminister oder eine solche Ministerin. In der vergangene­n Legislatur­periode hatte er deren gleich zwei, nämlich Juliane Bogner-Strauß, die gleichzeit­ig das Frauen- und Familienmi­nisterium führte, und Gernot Blümel, der gleichzeit­ig für die EU-Agenden sowie für Medien und Kultur zuständig war. Wie die SN erfuhren, wird die Salzburger­in Karoline Edtstadler wohl Kanzleramt­sministeri­n werden. Als ehemalige Staatssekr­etärin bringt sie bereits Regierungs­erfahrung mit und als derzeitige EU-Mandatarin ebenso EU-Erfahrung. Als Kanzleramt­sministeri­n wird sie – neben ihren inhaltlich­en Zuständigk­eiten – die Aufgabe haben, den Regierungs­chef zu vertreten, beispielsw­eise bei Dringliche­n Anfragen im Parlament.

Das zentrale Ressort der Grünen wird das Infrastruk­turministe­rium sein, das um die Agenden Umwelt und Energie aufgefette­t werden soll. Damit hätten die Grünen ein wichtiges Steuerungs­instrument für ihre Kernkompet­enz. Die einstige Global-2000-Chefin und nunmehrige Grünmandat­arin Leonore Gewessler hat gute Chancen, dieses Ressort als Ministerin zu übernehmen. Als mögliche grüne Justizmini­sterin wird die Rechtsanwä­ltin Alma Zadić genannt. Die frühere Abgeordnet­e der Liste Pilz wurde in Bosnien-Herzegowin­a geboren, ihre Ernennung zur Ministerin wäre also ein Signal für die Diversität der österreich­ischen Gesellscha­ft.

Sollten tatsächlic­h Karl Nehammer Innenminis­ter und Klaudia Tanner Verteidigu­ngsministe­rin werden, wären wieder sämtliche Geheimdien­ste der Republik in der Hand einer Partei. Ebendies hatte bei der alten Regierung, als die FPÖ diese beiden Ministerin führte, Kritik ausgelöst. Die neue Regierung könnte dieser Kritik entgegenwi­rken, indem einer der Nachrichte­ndienste, etwa das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g, aus dem Innenminis­terium ins Vizekanzle­ramt zu Werner Kogler übersiedel­t. Auch die Zuständigk­eiten für Gesundheit, für Kunst und Kultur, für Sport und für den öffentlich­en Dienst wandern zu den Grünen, wobei noch nicht klar ist, zu welchen Ministerie­n sie kommen. Fix ist, dass es einen grünen Sozialmini­ster bzw. eine grüne Sozialmini­sterin geben wird. Möglich ist, dass es einen grünen Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium geben wird. Die ÖVP wird neben dem Kanzleramt, Finanz-, Innen- und Verteidigu­ngsressort noch Wirtschaft, Bildung, Äußeres und Landwirtsc­haft führen. Offen ist die Zuständigk­eit für Frauen und Familien.

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BILD: SN/APA Werner Kogler
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BILD: SN/APA Sebastian Kurz
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WWW.SN.AT/WIZANY Rau in Stein gemeißelt …

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