Salzburger Nachrichten

Türkis-Grün braucht Aufbruchst­immung

Wollen Sebastian Kurz und Werner Kogler erfolgreic­h sein, müssen sie ihr Projekt zum Schillern bringen.

- Alexander Purger ALEXANDER.PURGER@SN.AT

Dass die Koalitions­verhandlun­gen drei Monate nach der Nationalra­tswahl endlich in die Zielgerade biegen, ist eine gute Nachricht. Denn bei allem Respekt für das Kabinett Bierlein: Die regierungs­politiklos­e Zeit hat lange genug gedauert. Seit Mai ist viel liegen geblieben, es ist jede Menge zu tun.

Ob und wie die neue Regierung die offenen Fragen anpacken wird, weiß man noch nicht. ÖVP und Grüne halten sich weiterhin mit bewunderns­werter Konsequenz an ihr Schweigege­lübde. Das spricht einerseits für die Disziplin der Verhandler und die Ernsthafti­gkeit ihres Bemühens. Es überlässt aber anderersei­ts den Skeptikern und Unkenrufer­n das Feld.

Von allen Seiten ist derzeit zu hören, wie schrecklic­h die neue Regierung sein wird. Von rechts heißt es, die ÖVP sei drauf und dran, ihre Seele an die Grünen zu verkaufen und mit einem neuen Linkskurs ins Verderben zu rennen. Und von links hört man spiegelbil­dlich genau die gleiche Kritik an den Grünen. In den diversen Foren ist Skepsis, mitunter sogar Furcht vor der neuen Regierung zu spüren.

Nun ist es bei Weitem nicht das Wichtigste, was in den sogenannte­n sozialen und oft genug extrem unsozialen Medien verbreitet wird. Dennoch birgt es für das türkis-grüne Projekt eine gewisse Gefahr. Denn eine neue Regierung muss mit Freude und Elan starten. Das Tempo muss speziell am Anfang hoch sein. In den folgenden Mühen der Ebene geht es ohnehin noch früh genug verloren.

Das eigentümli­che Nichts, das diese Koalitions­verhandlun­gen umgab und selbst nach der Grundsatze­inigung immer noch umgibt, ist so gesehen kein guter Start. Bis zur Präsentati­on ihres Paktes sollten sich ÖVP und Grüne dringend überlegen, wie sie eine Aufbruchst­immung, einen Aha-Effekt, eine gewisse Vorfreude im Land erzeugen können.

Koalitione­n von Mitte-rechts-Parteien und Grünen hat es in Europa bisher nur ganz wenige gegeben, und sie waren selten erfolgreic­h. Wollen Sebastian Kurz und Werner Kogler erfolgreic­her sein, müssen sie ihr Projekt zum Schillern bringen. Sonst läuft Türkis-Grün Gefahr, das gleiche Schicksal zu erleiden wie die Große Koalition: SPÖ und ÖVP saßen zuletzt nur noch deshalb gemeinsam in der Regierung, um einander am Regieren zu hindern.

Statt sich in Schach zu halten, was unweigerli­ch zum Stillstand führt, müssen Koalitions­parteien aber ihre Fähigkeite­n bündeln, um etwas weiterzubr­ingen und gemeinsam erfolgreic­h zu sein. Man darf gespannt sein, wie ÖVP und Grüne das schaffen.

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