Grüne Basis ist die letzte Hürde
Am kommenden Samstag werden in Salzburg 276 Grüne über den türkis-grünen Pakt abstimmen. Es ist vor allem ein Stimmungstest für das künftige Koalitionsklima.
SALZBURG. Nur wenige Minuten vor Mitternacht (und somit gerade noch fristgerecht) wurde am Samstag die Einladung für den Bundeskongress der Grünen im Salzburg Congress verschickt. Am 4. Jänner werden die Grünen über den türkisgrünen Koalitionspakt und die grüne Ministerliste abstimmen. Die verschickte Einladung an die Delegierten in der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde als Durchbruch der Regierungsverhandlungen gesehen. Dabei muss ebender Bundeskongress, innerhalb der Ökopartei BUKO genannt, dem Koalitionsvertrag erst zustimmen.
Alles andere als eine Mehrheit für den Regierungspakt wäre eine wirkliche Überraschung, auch weil sich die FPÖ als möglicher Koalitionspartner immer wieder ins Spiel gebracht hatte. Das ist wohl das stärkste Argument von GrünenChef Werner Kogler, wenn er seine Parteifreunde überzeugen will. Trotzdem wird der BUKO eine heikle Mission für Kogler und sein Verhandlungsteam.
Auch wenn eine einfache Mehrheit genügt, wird das Abstimmungsverhalten der Grünen genau analysiert werden. Angesichts des heiklen politischen Experiments zwischen den beiden so unterschiedlichen Koalitionspartnern könnte ein schlechtes Ergebnis beim grünen Bundeskongress für vorkoalitionäre Verstimmungen sorgen. Weil ÖVP und Grüne nur mit fünf Mandaten Überhang die Mehrheit im Nationalrat haben, kann Kogler außerdem einen internen Aufstand so gar nicht gebrauchen. Doch den könnte es, zumindest in Ansätzen, geben.
Der grüne Bundeskongress hat 276 Delegierte und setzt sich wie folgt zusammen: 188 Delegierte kommen aus den Bundesländern. Dazu kommen alle grünen Abgeordneten zum Nationalrat, dem Bundesrat, dem EU-Parlament, den Landtagen, Regierungsmitglieder der Grünen auf Länder- bzw. Bundesebene,
die Mitglieder des Bundesvorstands und die Mitglieder des Bundesvorstands der grünen Bildungswerkstatt. Allein die große Zahl an Delegierten birgt das Risiko, dass sich kritische Stimmen Gehör verschaffen wollen und sich auf dem Kongress vielleicht eine eigene Dynamik entwickeln könnte.
Dass der BUKO aus Sicht der Parteispitze nicht immer die richtigen Entscheidungen trifft, zeigte sich zuletzt bei der Abwahl von Peter Pilz im Jahr 2017. Pilz gründete bekanntlich seine eigene (wenn auch nicht langlebige) Liste, die Grünen flogen hochkant aus dem Parlament. Zwei Jahre danach sind die Grünen zwar gestärkt zurückgekehrt, der Abgang von Pilz hat der Partei damals aber massiv geschadet. Auch die Basis kann sich irren.
Gegen kritische Stimmen aus den eigenen Reihen versuchte sich Kogler bereits am Samstag in einer Nachricht an seine Parteifreunde zu wappnen. „Auch wenn sich lange nicht alle Punkte des Übereinkommens wie ein grünes Wahlprogramm lesen werden: Demokratie heißt auch, Kompromisse nicht zu denunzieren. Und das hat noch nie mehr gegolten als heute im Angesicht der Klimakrise“, hieß es in dem E-Mail. Und weiter: „Uns ist ein Durchbruch gelungen: Beim Umwelt- und Klimaschutz, bei Transparenz, Kontrolle und Informationsfreiheit sowie im Bereich der sozialen Absicherung. Wir sind noch nicht fertig, aber ein positiver Abschluss der Koalitionsverhandlungen ist möglich.“
Laut der grünen Parteispitze werden die 276 Delegierten das Koalitionspapier erhalten, sobald es fertig ist. Noch stehen sie mit leeren Händen da. Der grüne stellvertretende Salzburger Landesgeschäftsführer
Simon Hofbauer erklärt auf SN-Anfrage, dass am Samstagvormittag, also vor dem Bundeskongress, „die grünen Verhandler ihre Kapitel dem Bundeskongress in einem nicht öffentlichen Teil intern vorstellen werden“. Das soll dazu beitragen, mögliche Missverständnisse und Kritik im Vorfeld auszuräumen. „Ihr habt die Möglichkeit, dieses Übereinkommen zu diskutieren und den Schritt, erstmals in der Geschichte in eine Bundesregierung einzutreten, mitzutragen oder abzulehnen“, sendete Kogler nach der Einladung zum Bundeskongress an seine Mitstreiter.
Bei den Grünen gibt es, wie übrigens auch bei den Türkisen, angesichts einer ÖVP-Grünen-Regierung durchaus Zweifler. Immerhin war (und ist teilweise) Sebastian Kurz ein Feindbild der grünen Basis. Viele innerhalb der Grünen hatten sich etwa hinter vorgehaltener Hand aufgrund der Asylagenden und des Geheimdienstskandals ein neutrales Innenministerium gewünscht. Das dürfte nicht kommen.
Auch bezüglich des Bundeskongresses
sind erste kritische Rufe zu hören. Am Sonntag sorgte ein Schreiben des grünen Innsbrucker Gemeinderats Dejan Lukovic für Aufregung. Der Jungpolitiker beschwerte sich bei der Parteispitze, dass die Einberufung des Bundeskongresses nicht statutengemäß erfolgt sei. Angeblich kam die Einladung zu spät und wurde nicht mit der erforderlichen Mehrheit des Bundesvorstands abgesegnet. Angesprochen auf Lukovics Kritik meinte Hofbauer: „Ich schließe nicht aus, dass es kritische Stimmen gibt. Der genannte Kritiker ist aber nicht einmal selbst BUKO-Mitglied. Und es würde mich wundern, wenn es am Bundeskongress nicht eine sehr breite Mehrheit von mindestens 85 Prozent für den Regierungspakt gibt.“
Das Ergebnis wird am Samstag gegen 17 Uhr feststehen. Dann könnte die letzte Hürde für eine türkis-grüne Regierung genommen worden sein. Werner Kogler verabschiedete sich in dem Schreiben an die Delegierten jedenfalls mit „zuversichtlichen Grüßen“.