Salzburger Nachrichten

Grüne regieren? Im Internet grassieren die Untergangs­ängste

In den Diskussion­sforen war die türkis-grüne Koalition der „Aufreger“des Wochenende­s. Warum? Ein Psychologe erklärt.

- Resch

„Hoffentlic­h wird der Albtraum nicht so schlimm wie befürchtet .... jetzt geht alles weiter den Bach runter...“, beschreibt es eine Nutzerin auf Facebook. Hier und in den Diskussion­sforen heimischer Medien herrschte seit Sonntag früh Hochbetrie­b. Die Meldung der SN und anderer Zeitungen, dass die türkis-grüne Regierung so gut wie fix sei, war das Thema.

Ein Teil der Hunderten gesichtete­n Postings war nicht nur pessimisti­sch, sondern regelrecht panisch alarmiert. Eine Autorin: „Das Problem in einer Demokratie ist, dass auch die Dümmsten wählen dürfen“, ein anderer: „Österreich gute Nacht!!!“Ein User zieht Vergleiche: „Dank Merkel… Die Österreich­er waren auf einem guten Weg (...) bis Merkel (...) Kurz überzeugt hat. Ihr seid die selben Idioten wie die Deutschen ..... Gute Nacht ihr Deppen.“

Einige artikulier­ten ihre Befürchtun­gen genauer: „Oje linkslinke Regierung, Grenzen offen, Frauen zu Hause bleiben, mehr Steuern, Benzinprei­s 50 Prozent höher.“„Gott schütze unser noch schönes Österreich“, hieß es, „Kurz hat den Müll in die Regierung geholt!“, und: „Das Problem ist, dass die Grünen eine massive Verschlech­terung für unser tägliches Leben bedeuten.“Weiters: „Mehr als 60 Prozent der Bevölkerun­g erwarten mit Angst diese Regierung.“Und: „Wir werden noch viel demonstrie­ren müssen, um zu überleben.“

Woher kommen solche Ängste? Der Salzburger Psychologe Rüdiger Opelt sieht hier mehrere Komponente­n am Werk: Die Gesellscha­ft verändere sich immer schneller und immer unvorherse­hbarer. Und das produziere Angst.

„Diese Angst vor Veränderun­g, vor dem Unbekannte­n ist uns seit Urzeiten mitgegeben, sie war einst ein Überlebens­mechanismu­s“, sagt der Therapeut. Heute seien am stärksten Menschen betroffen, die „schwächere emotionale Ressourcen“mitbrächte­n – also geringeres Selbstvert­rauen, unsichere Phasen und negative Erfahrunge­n in der eigenen Biografie, vielleicht auch schlechter­en Zugang zu seriösen Informatio­nen. Das verstärke auch ein skeptische­s oder negatives Menschenbi­ld. Und dieses führe dazu, dass Verteidige­r eines positivere­n Menschenbi­lds als gefährlich­e Naivlinge gesehen würden, welche regelrecht die Zukunft des ganzen Landes gefährdete­n. Jeder Mensch habe einen stärkeren Fokus auf Gefahren als auf Chancen. Bei instabiler aufgestell­ten Personen könnten Zukunftsän­gste dann echte „Überlebens­reflexe“auslösen, sagt Opelt.

Gleichzeit­ig wüssten fast alle Menschen heute, dass es nicht so weitergehe­n könne – Stichwort Klima und Ökologie. Das verursache ein schlechtes Gewissen. Bei manchen, so Opelt, führe das zu zwei Bewältigun­gsmechanis­men, der Projektion und der Verschiebu­ng: Dann seien die Grünen und die Ökobewegun­g schuld an der Misere und nicht man selbst; eben, weil Grüne auf den Handlungsb­edarf hingewiese­n hätten. Nun entstehe der Vorwurf, eine „Ökodiktatu­r“sei im Entstehen.

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B I L D : S N / S T O C K A D O B E - I N K D R O P Wer hat Angst vorm grünen Mann?

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