Segeln bei Windstärke 6
Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn beschrieb in den vergangenen Monaten den Zustand der EU gern mit einem Begriff aus der Schifffahrt: „Wir segeln bei Windstärke 6.“
Das ist nach der BeaufortSkala noch lange kein Sturm, aber es herrschen Bedingungen, bei denen Ungeübten schon mulmig werden kann.
Der Vergleich ist treffend gewählt. Im vergangenen Jahr steuerte die Union tatsächlich durch unruhige See. Der Brexit, der drei Mal verschoben werden musste und noch immer nicht vollzogen ist; die Auseinandersetzungen mit Ungarn, Polen und Rumänien um rechtsstaatliche Standards; die Wahl des EU-Parlaments und die folgenden Konflikte um die Besetzung der EU-Spitzenjobs.
Möglicherweise wird die Stimmung auf dem Schiff unter der blauen Flagge mit den zwölf Sternen im kommenden Jahr ein bisschen entspannter. Wenn das schwierige Crewmitglied Großbritannien tatsächlich Ende Jänner von Bord geht, können die verbleibenden 27 mit einem internen Störfaktor weniger weitersegeln.
Die äußeren Bedingungen aber bleiben herausfordernd: eine sich abkühlende Wirtschaft, das drängende Problem der Klimakrise, Verteilungsfragen im Zuge der Budgeterstellung und dazu Überraschungen, die Trump, Putin & Co. für die Europäer bereithalten.
Die See wird weiter rau sein. Aber die EU hat bereits Windstärke 9 und den Sturm der Eurokrise überstanden. Und solch mieses Wetter ist für 2020 gottlob nicht in Sicht.