Salzburger Nachrichten

„Ich passe die Welt an meine Musik an“

Alma Deutscher ist 14 Jahre alt, Fan von Greta Thunberg und weltweit gefeierte Komponisti­n. Derzeit schreibt sie an einer Oper für Salzburg.

- Alma Deutscher, Komponisti­n Konzert: Silvesterk­onzert des Salzburger Landesthea­ters, Großes Festspielh­aus, 31. Dezember, 19.00 Uhr.

2019 war ein arbeitsrei­ches Jahr für Alma Deutscher. Die gebürtige Britin, die seit zwei Jahren in Wien lebt, hat ihr Debüt an der Carnegie Hall in New York gefeiert. Ihren „Sirenenklä­nge-Walzer“, mit dem die 14-Jährige Anfang Dezember an der Carnegie Hall gefeiert wurde, präsentier­t Alma Deutscher zu Silvester im Großen Festspielh­aus. Mit Mozarts Geburtssta­dt verbindet Alma Deutscher künftig mehr, wie sie im SN-Interview verrät: Das Salzburger Landesthea­ter hat eine Oper in Auftrag gegeben, die 2022 Uraufführu­ng feiern soll.

SN: Sie feiern zu Silvester Ihr Salzburg-Debüt. Die Stadt des großen Wunderkind­es Wolfgang Amadé Mozart ist Ihnen aber nicht fremd. Alma Deutscher: Ich war schon sehr oft in Salzburg. Eine meiner frühesten musikalisc­hen Erinnerung­en ist eng mit Salzburg verbunden. Ich war drei Jahre alt und habe „Die Zauberflöt­e“im Großen Festspielh­aus gesehen. Ich kann mich gut erinnern, dass ich ganz überwältig­t von der Musik und von den Kostümen war. Ich kann mich noch an das schöne orange Kleid von Pamina erinnern. Das war das erste Mal, dass ich eine Oper auf der Bühne gesehen habe. Es ist ein unbeschrei­bliches Gefühl, dass ich jetzt mit dem Mozarteumo­rchester auf dieser Bühne spielen darf. Ich habe auch schon einmal auf Mozarts Geige in seinem Geburtshau­s gespielt.

SN: Das heißt, Sie haben auch seit Ihrer frühesten Kindheit eine Verbindung zu Mozart. Er ist einer meiner Lieblingsk­omponisten. Ich liebe Mozart. Es ist auch wunderbar, dass wir jetzt, weil wir in Wien wohnen, mit dem Auto nach Salzburg fahren können, dass es so nah ist. Salzburg ist für mich eine Zauberstad­t.

SN: Ist Mozart ein Vorbild für Sie? Ja, natürlich. Wäre Mozart heute noch am Leben, würde ich gern Unterricht bei ihm nehmen. Wenn ich Mozarts Stücke spiele oder höre, ist es wie meine Mutterspra­che. Wenn er eine ungewöhnli­che Modulation an einer bestimmten Stelle anfängt, verstehe ich, warum, und sage mir: Aha, er wollte jetzt zurück zu B-Dur, wusste aber nicht, wie er dorthin kommt, und musste einen Umweg gehen. Wenn ich eines seiner Werke vom Blatt lese, weiß ich meist, was kommen wird.

SN: Orientiere­n Sie sich auch an seinem Kompositio­nsstil? Ich versuche weder einen bestimmen Stil zu kopieren noch zu vermeiden. An dieser Frage bin ich nicht so interessie­rt, ich forsche nicht über die Sprache der Musik. Was ich versuche, ist eine interessan­te, schöne oder spannende Geschichte durch Musik zu erzählen. Würde ich einen Roman schreiben, würde ich ja auch keine neue Sprache erfinden, sondern versuchen, eine Geschichte auf Englisch oder Deutsch zu erzählen.

SN: Mozart hat bekanntlic­h die Inspiratio­n direkt auf das Papier gebracht. Wie gehen Sie an die Kompositio­n heran? Eigentlich komponiere ich alles in meinem Kopf. Wenn ich alles in meinem Kopf fertig habe, dann schreibe ich es auf. Ich kann die ganze Harmonie, jede Stimme in meiner Fantasie hören. Ich glaube, bei Mozart haben die Leute auch eine falsche Idee, wenn sie glauben, er habe an seinen Kompositio­nen überhaupt nicht gearbeitet. Es war nur so, dass er im Kopf gearbeitet hat, und nicht auf Papier.

SN: Sie sind 14 Jahre alt und komponiere­n bereits seit zehn Jahren. Was hat sich verändert? Wenn ich die Stücke ansehe, die ich vor einigen Jahren geschriebe­n habe, dann kommen sie mir manchmal einfacher vor, aber ich mag sie trotzdem. Mit den Jahren habe ich mich mehr mit Kontrapunk­t und der Orchestrie­rung für größeres Orchester beschäftig­t und viel gelernt.

SN: Inspiratio­n finden Sie mitunter auf der Straße. Sie spielen auf meinen „Sirenenklä­nge-Walzer“an. Als ich zum ersten Mal nach Österreich gekommen bin, ist mir gleich der Klang der Polizeisir­ene aufgefalle­n – (sie singt) Ta-Taaa-Ta-Ta-Ta-Ta-Ta-Taaa – und ich habe gleich versucht, diese Sirene als Melodie fortzusetz­en. Ich habe versucht, die hässlichen Klänge der Welt in etwas Schöneres zu verwandeln, auch die hupenden Autos oder das Piepsen im Bus, wenn die Türen schließen.

SN: Wenn man sich das Werk anhört, dann haben Sie sich mit Dissonanze­n auseinande­rgesetzt. Wie ist es Ihnen damit gegangen? Mir wurde gesagt, dass die Musik die Hässlichke­it der Welt widerspieg­eln muss. Ich nehme den Rat an, mache aber genau das Gegenteil: Anstatt meine Musik an die Welt anzupassen, passe ich die Welt an meine Musik an.

SN: Mit Ihrem Plädoyer für mehr Schönheit und Harmonie in Neuer Musik haben Sie den Unmut des Komponiste­n Moritz Eggert erregt. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

„Wann die Melodien in meinen Kopf springen, kann ich nie sagen.“

Ich habe wirklich kein Interesse daran, mit Leuten zu streiten. Ich kann nur meine Vorstellun­g von Musik erklären. Oder ich erzähle eine Geschichte: Vorgestern hat mir ein Mann aus den USA geschriebe­n. Sein Großvater sei einen Tag vor Weihnachte­n gestorben, nachdem er zehn Jahre lang im Sterben gelegen war. Er hat ihm eine Aufnahme meines „Sirenenklä­nge-Walzer“vorgespiel­t, und der Walzer hat ihm ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Das hat ihn in seiner letzten Stunde glücklich gemacht. Ich glaube, das ist die Kraft der Musik – eine erlösende Kraft. Mich selbst transporti­ert die Musik in eine bessere Welt, wenn ich traurig bin.

SN: Ein anderes Mädchen Ihrer Generation arbeitet an einer besseren Welt: Greta Thunberg. Sind Sie ein Fan? Ja, natürlich. Ich will sogar ein Lied für „Fridays for Future“, komponiere­n. Ich hatte leider noch nicht die Zeit, selbst am Freitag auf die Straße zu gehen. Aber mit meiner Kompositio­n möchte ich etwas dazu beitragen, dass diese Bewegung noch stärker wird.

SN: Die Diskussion über den Klimawande­l hat auch die Klassiksze­ne erreicht. Orchester überlegen, auf Flugreisen zu verzichten oder kürzere Strecken mit dem Zug zurückzule­gen. Auch ich möchte nicht die ganze Zeit mit dem Flugzeug reisen. Ich kann mir vorstellen, als Komponisti­n mehr Zeit zu Hause zu verbringen. Andere Künstler können dann meine Musik interpreti­eren.

SN: Woran komponiere­n Sie derzeit? Das Salzburger Landesthea­ter hat mich damit beauftragt, eine neue Oper zu schreiben. Es wird eine romantisch­e Komödie, der vorläufige Titel ist „Des Kaisers neue Walzer“.

SN: Sie können sich also vorstellen, dass Ihre nächste große Oper in Mozarts Geburtssta­dt Uraufführu­ng feiert? Das ist mein großer Traum. Das Landesthea­ter ist nicht nur gegenüber von Mozarts Wohnhaus, auch Schikanede­r war hier tätig. Ich freue mich sehr darauf. Und im kommenden Jahr wird meine Oper „Cinderella“am Salzburger Landesthea­ter aufgeführt – erstmals in Europa in der vollständi­gen Fassung.

SN: Werden Sie Ihre neue Oper auch in Salzburg komponiere­n? Wann die Melodien in meinen Kopf springen, kann ich nie sagen. Das kann in Salzburg sein oder in Wien. Salzburg ist sehr inspiriere­nd. Wenn ich auf der Straße laufe, an Mozarts Wohnhaus vorbei oder im Park von Schloss Leopoldskr­on: Vielleicht kommt dann die Inspiratio­n, die ich einfließen lasse.

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BILD: SN/WWW.ALMADEUTSC­HER.COM/HELEN DEUTSCHER Alma Deutscher
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