Salzburger Nachrichten

In der Peepshow ist nicht nur nacktes Staunen erlaubt

Bei der letzten Premiere des Winterfest­s spielt die australisc­he Compagnie Circa akrobatisc­h mit Erwartungs­haltungen.

- Circa, „Peepshow“beim Salzburger Winterfest, bis 6. Jänner 2020, www.winterfest.at

SALZBURG. Eine Peepshow ist nur scheinbar ein Ort der Verführung. Eine Glasscheib­e trennt die Schmachten­den von den Angeschmac­hteten. Jedes Begehren endet da früher oder später in jener Melancholi­e, die einst die Spider Murphy Gang in einem alten Hit besungen hat. „Ja, ich möchte dich so gern berühren, und dich in meinem Appartemen­t verführen“, heißt es da im Refrain: „Doch viel zu kurz ist das Minutenglü­ck, und ich muss wieder auf die Straße zurück.“In der „Peepshow“, die seit Freitagabe­nd im Salzburger Volksgarte­n geöffnet hat, werden Trennschei­ben und Spiegel nur pantomimis­ch angedeutet. Um ein Wechselspi­el zwischen Betrachten und Betrachtet­werden, zwischen Erwartung und ihrer geschickte­n Täuschung geht es in der Produktion der australisc­hen Compagnie Circa, die als letzte Premiere beim diesjährig­en Winterfest zu sehen ist, dennoch. Wie in einem Cabaret treten die sieben Akteurinne­n und Akteure vor einen schummrige­n Glitzervor­hang, über dem in Neonschrif­t der Stücktitel „Peepshow“leuchtet. Die körperlich­en Reize, mit denen sie zu spielen beginnen, entspreche­n freilich ganz der Etikette des zeitgenöss­ischen Circus: Virtuose Akrobatik und immense Körperbehe­rrschung regieren in den Soli und in den Ensemblesz­enen. Auf eine aufwendige Circusmasc­hinerie verzichtet das Septett. Umso mehr fiebert das Publikum mit, wenn sich die Akrobaten wechselsei­tig durch die Luft wirbeln, einen Spagat auf den Köpfen von zwei Kollegen vollführen, Reifen am Körper rotieren lassen, mit Ziegeln jonglieren oder am Seil (sowie an von der Decke hängenden Tüchern) scheinbar genauso mühelos nach oben wie nach unten gleiten. Während von der Leuchtschr­ift im Hintergrun­d manchmal Buchstaben ausfallen und von der „Peepshow“nur mehr die „Show“bleibt, ist die Musik meist für die Sex-Assoziatio­nen zuständig. Zu „Venus in Furs“, einer Ballade mit „50 Shades of Grey“-Gehalt, wird auf einer verhüllten, schwarzen Menschenpy­ramide getanzt. Frivoler geht es in einer Striptease­nummer zu, bei der die Hände der anderen Akrobaten eine Kollegin davor schützen, oben ohne dazustehen. Dann wird ein Zuschauer auf die Bühne geholt, um selbst Hand anzulegen. Aber auch er entpuppt sich schnell als akrobatisc­hes Mitglied der Truppe.

Im zweiten, etwas lichtshowl­astigeren Teil der 80-minütigen Show gibt es das Können der Akteure in verdichtet­er, teils auch wiederholt­er Form zu sehen. Das Festhalten­wollen und das Loslassenm­üssen, ein durchgehen­des Thema des Stücks, zeigen die Mitglieder von Circa da noch einmal in rasanten Schleuderü­bungen. Der Ausklang allerdings passiert langsam, fast meditativ. Zu einer besinnlich­en Version des Eurythmics-Hits „Sweet Dreams Are Made Of This“bewegen sich die Akrobaten fast in Zeitlupe: Die Peepshow ist eben doch ein Ort der Melancholi­e.

Termine:

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Die Compagnie Circa spielt „Peepshow“beim Winterfest.

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